Paris – Der Parteilinke Benoît Hamon führt die französischen Sozialisten in die Präsidentenwahl im April. Der deutliche Vorwahl-Sieg des früheren Bildungsministers bedeutet eine Zerreissprobe für die Partei, die nach fünf Jahren an der Macht schwer angeschlagen und von der Spaltung bedroht ist. Es ist unklar, ob der rechte Flügel sich klar hinter den neuen Spitzenkandidaten stellen wird, der radikale Positionen vertritt.
Hamon erhielt in der Stichwahl am Sonntag nach Auszählung fast aller Stimmen knapp 59 Prozent der gültigen Stimmen und lag damit klar vor Ex-Premier Manuel Valls, der auf gut 41 Prozent kam. Der 54-Jährige räumte seine Niederlage ein und gratulierte Hamon. Dieser sei nun «der Kandidat unserer politischen Familie», sagte Valls.
Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens
«Heute abend erhebt die Linke wieder das Haupt», resümierte Hamon. Der 49-Jährige ist seit Jahren ein Gegner der Regierungspolitik unter Staatschef François Hollande und Valls. Er will etwa die höchst umstrittene Arbeitsmarktreform zurückdrehen und mit Milliardenaufwand ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen.
Hamon will laut der Nachrichtenagentur AFP am Montagnachmittag mit dem sozialistischen Regierungschef Bernard Cazeneuve zusammentreffen. Der frühere Innenminister wird dem rechten Parteiflügel zugerechnet. Es ist völlig offen, welchen Einfluss die Wahl Hamons auf die Regierungspolitik haben wird.
Bruch mit Hollandes Politik
Die Regierungspartei vollzog mit dem Votum einen radikalen Bruch mit der Reformpolitik von Präsident Hollande, der nicht wieder antritt. Auch auf europäischer Ebene dürfte Hamon anecken, so fordert er etwa ein Moratorium für den Euro-Stabilitätspakt, der das Haushaltsdefizit der Euro-Staaten auf drei Prozent der Wirtschaftsleistung begrenzt.
Der «vierte Mann»
Laut einer aktuellen Umfrage für die Zeitung «Le Figaro» könnte Hamon bei der Präsidentenwahl mit einem Stimmenanteil von etwa 15 Prozent zum «vierten Mann» aufsteigen. Damit hätte der sozialistische Bewerber bessere Aussichten als bislang angenommen. Vor ihm liegen demnach die Rechtspopulistin Marine Le Pen, der Konservative François Fillon und der unabhängige Bewerber Emmanuel Macron, der unter Hollande als Wirtschaftsminister amtierte. Hamon würde nach diesem Szenario noch vor dem Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon liegen.
Die Stichwahl der Sozialisten brachte deutlich mehr Menschen in die Wahllokale als der erste Wahlgang eine Woche zuvor. Die Sozialisten wählten ihren Präsidentschaftskandidaten schon zum zweiten Mal mit einer offenen Vorwahl: Teilnehmen konnten alle Franzosen, die im Wählerregister stehen und sich per Unterschrift zu den Werten der Linken bekannten. (awp/mc/pg)