Friedensnobelpreis geht an das World Food Programme
Oslo – Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) erhält den diesjährigen Friedensnobelpreis. Das gab das norwegische Nobelkomitee am Freitag in Oslo bekannt. Die UN-Organisation werde damit unter anderem für ihre Bemühungen im Kampf gegen den Hunger sowie ihren Beitrag zur Verbesserung der Bedingungen für den Frieden in Konfliktgebieten ausgezeichnet.
Es sei eine der ältesten Waffen der Welt, Menschen in Konfliktsituationen auszuhungern, um dann in ihr Territorium einzudringen, sagte die Vorsitzende des Komitees, Berit Reiss-Andersen. Leider werde von dieser Waffe noch heute sehr aktiv in Kriegen und Konflikten Gebrauch gemacht.
Auch ohne die Corona-Krise wäre das WFP ein würdiger Preisträger gewesen, unterstrich Reiss-Andersen. Die Pandemie und die mit ihr verbundenen Herausforderungen hätten die Gründe für die Auszeichnung aber «definitiv gestärkt», sagte sie. «Die Pandemie hat das Bedürfnis an Nahrungsmittelhilfe gesteigert. Lebensmittel sind wegen des Virus für manche Bevölkerungen weniger verfügbar.»
Multilaterale Zusammenarbeit unabdingbar
Gleichzeitig zeige die Pandemie, dass multilaterale Zusammenarbeit absolut notwendig sei, um globale Herausforderungen anzugehen, sagte sie. Es scheine derzeit einen Mangel an Respekt vor Multilateralismus zu geben. Der Preis für das WFP sei damit auch ein Aufruf an die Weltgemeinschaft, dem Programm ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. «Es ist in unseren Augen eine Pflicht aller Staaten der Welt, sicherzustellen, dass Menschen nicht verhungern.»
Das Welternährungsprogramm hat seinen Hauptsitz in Rom und kämpft in aller Welt gegen den Hunger. Es konzentriert sich auf Nothilfe, Wiederaufbau und Entwicklungszusammenarbeit. Die Helfer unterstützen auch Opfer von Krieg, Dürre, Sturm und Erdbeben, zusätzlich planen sie auch langfristige Entwicklungsprogramme. Chef ist der Amerikaner David Beasley, ein früherer Gouverneur des US-Staates South Carolina.
«Wow! Wow! Wow!»
«Das ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich sprachlos bin. Das ist unglaublich», sagte WFP-Chef David Beasley in einem Video auf seiner Twitter-Seite. «Wow! Wow! Wow!» Die Auszeichnung gehe an die gesamte «WFP-Familie». Dem norwegischen Sender NRK sagte er, als er gerade in Niger unterwegs war: «Wir denken nicht an diejenigen, die wir gerettet haben, wenn wir ins Bett gehen. Wir denken an die, denen wir nicht helfen konnten, wegen Geldmangels oder weil wir sie nicht erreichen konnten.»
«Dies ist ein stolzer Moment», sagte der WFP-Sprecher in Genf, Tomson Phiri, unmittelbar nach der Preis-Bekanntgabe. Der Preis sei eine Anerkennung sowohl für die Mitarbeiter als auch die vielen freiwilligen Helfer und Helferinnen in aller Welt. «Wir sind sprachlos», hiess es auf dem deutschen Twitter-Account des WFP.
Gratulation aus Berlin
Zu den ersten Gratulanten gehörte das Bundesentwicklungsministerium in Berlin. «Gerade in der Coronakrise ist die Arbeit des Welternährungsprogramms wichtiger denn je. Wir werden den Kampf gegen den Hunger weltweit weiter unterstützen», schrieb das Ministerium auf Twitter. Aussenminister Heiko Maas erklärte, der Friedensnobelpreis für das WFP sei hochverdient. Das Programm stehe für die Verantwortung der internationalen Gemeinschaft für jedes einzelne Menschenleben. «Sein unermüdlicher Einsatz rettet jeden Tag Millionen Menschen vor Hunger und Mangelernährung.» Deutschland sei stolz, als zweitgrösster Geber der Welt Partner der Organisation zu sein.
Die Nobelpreise sind diesmal mit zehn Millionen schwedischen Kronen (rund 950 000 Euro) pro Kategorie dotiert, also mit einer Million Kronen mehr als im Vorjahr. Damals war Äthiopiens Regierungschef Abiy Ahmed vor allem für seine Initiative zur Lösung des Grenzkonflikts mit dem Nachbarland Eritrea mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Die letzten internationalen Organisationen, die mit dem Preis geehrt worden waren, waren 2017 die Internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung (Ican) und 2013 die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) gewesen.
Grosses Kandidatenfeld
Das Kandidatenfeld für den renommiertesten politischen Preis der Erde war in diesem Jahr gross gewesen – vorab kristallisierte sich kein klarer Favorit heraus. Die Weltgesundheitsorganisation WHO und Klimaaktivistin Greta Thunberg wurden von Wettbüros als Topfavoriten gehandelt, Experten hatten einen Preis für Journalistenorganisationen oder junge Aktivisten etwa aus dem Sudan oder aus Somalia für möglich gehalten. Die Nobel-Institutionen selbst halten die Namen der Kandidaten – in diesem Jahr waren es 211 Persönlichkeiten sowie 107 Organisationen – traditionell 50 Jahre lang geheim.
Der Friedensnobelpreisträger wird als einziger aller Nobelpreisträger nicht in Stockholm, sondern in Oslo verkündet und geehrt. Verliehen werden die Auszeichnungen am 10. Dezember, dem Todestag des Dynamit-Erfinders und Preisstifters Alfred Nobel. In diesem Jahr findet das sowohl in Oslo als auch in Stockholm wegen der Coronavirus-Pandemie in anderem und deutlich kleinerem Rahmen statt. (awp/mc/pg)