Washington – Madeleine Albright hat die US-Aussenpolitik nach dem Zerfall des Ostblocks entscheidend mitgeprägt: Als Botschafterin bei den Vereinten Nationen und dann als erste Aussenministerin warb sie resolut, eloquent und prinzipientreu für Amerikas Interessen. Unter dem damaligen Präsidenten Bill Clinton wurde die ursprünglich aus Osteuropa stammende Demokratin zu einer führenden Stimme der US-Aussenpolitik im 20. Jahrhundert. Nach dem Ausscheiden aus der Regierung schrieb Albright unter anderem mehrere erfolgreiche Bücher. Sie starb am Mittwoch im Alter von 84 Jahren infolge eines Krebsleidens, wie ihre Familie über Twitter mitteilte.
Auch nach ihrer Zeit in der aktiven Politik machte Albright kein Geheimnis aus ihrer Weltsicht. US-Präsident Donald Trump etwa warf sie vor, das Land zu spalten und der Demokratie zu schaden. «Er ist der undemokratischste Präsident in der modernen Geschichte der USA», sagte Albright etwa 2018. Trumps Verachtung für die Medien und institutionelle Strukturen gefährde die Stabilität des Landes. «Dagegen müssen wir etwas unternehmen», mahnte die damals 81-Jährige bei einer Diskussionsrunde zu ihrem Buch «Faschismus. Eine Warnung». Die Demokratie dürfe nicht als selbstverständlich angesehen werden, mahnte sie. «Ich mache mir Sorgen – und zwar jeden Tag mehr.»
Als UN-Botschafterin in New York bemühte sich Albright ab 1993 um eine Führungsrolle der USA bei der Befriedung von Krisen, die nach dem Ende des Ost-West-Konflikts ausgebrochen waren. Die Krisenherde Somalia, Ruanda und Bosnien zeigten allerdings auch die Grenzen der US-Aussenpolitik auf. Experten lobten Albright aber zum Beispiel für ihre harte Linie gegenüber dem Irak und der Militärjunta in Haiti.
Kritiker bezeichneten Albrights Auftreten bei den UN bisweilen als undiplomatisch. Sie sah das aber eher als Lob für ihr resolutes Eintreten für amerikanische Interessen. 1996 spielte sie dann die Schlüsselrolle bei den Bemühungen, UN-Generalsekretär Butros Butros-Ghali eine zweite Amtszeit zu verwehren. Die USA warfen ihm mangelnden Reformwillen vor. Albright setzte den US-Willen letztlich gegen grossen Widerstand aus der internationalen Gemeinschaft durch.
Erste US-Aussenministerin
In Clintons zweiter Amtszeit führte Albright ab 1997 als erste Frau das Aussenministerium, wodurch sie die bis dahin ranghöchste Frau in einem US-Regierungsamt wurde. Die 1937 in Prag geborene Diplomatin setzte sich dabei mit Nachdruck für die Nato-Osterweiterung ein. «Madam Secretary» bemühte sich auch gezielt um die Pflege der Beziehungen zu Verbündeten. Mit dem damaligen deutschen Aussenminister Joschka Fischer etwa soll sie ein sehr gutes Verhältnis gehabt haben.
Darauf setzte sie auch, als die Bemühungen um eine Einigung im Kosovo-Konflikt mit dem damaligen Serben-Präsidenten Slobodan Milosevic gescheitert waren. Sie warb erfolgreich für Nato-Luftangriffe im ehemaligen Jugoslawien. Albright versuchte sich auch an den dicken Brettern der Aussenpolitik, darunter bessere Beziehungen zu Russland und Frieden im Nahen Osten, konnte dabei allerdings keine grossen Ergebnisse vorweisen. Albright blieb bis zum Ende von Clintons zweiter Amtszeit im Januar 2001 Aussenministerin.
Als Kind jüdischer Diplomatenfamilie geboren
Aufmerksamkeit erregte auch Albrights Aufarbeitung der Geschichte ihrer Familie – von der die Politikerin jahrzehntelang gar nichts gewusst hatte. Sie wurde am 15. Mai 1937 als Marie Jana (genannt Madlenka) Korbelova in Prag als ältestes von drei Kindern einer jüdischen Diplomatenfamilie geboren. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen wanderte die Familie nach England aus, wo Albright in Unwissenheit ihrer jüdischen Herkunft katholisch erzogen wurde.
Ihr Vater Joseph Korbel diente nach dem Zweiten Weltkrieg der Tschechoslowakei als Diplomat. Nach der Machtübernahme der Kommunisten in Prag beantragte die Familie 1948 Asyl in den USA und wanderte aus. Von ihrer jüdischen Abstammung und dem Tod Angehöriger, darunter drei ihrer Grosseltern, in Konzentrationslagern der Nazis erfuhr Albright aber erst 1996. «Ich hatte keine Ahnung, dass ich aus einer jüdischen Familie stammte, geschweige denn, dass über 20 Verwandte von mir den Holocaust nicht überlebt hatten», schrieb sie im Buch «Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg».
Die Politologin heiratete 1959 ihren Studienfreund Joseph Albright, den Erben eines Medienunternehmens. Mit ihm hatte sie drei Töchter, nach 23 Ehejahren liessen sich die Albrights scheiden. Erst als ihre Kinder schon grösser waren, begann Albright 1975 ihre politische Karriere. Zunächst arbeitete sie für einen Senatoren, dann im Weissen Haus als Mitarbeiterin des Nationalen Sicherheitsrats. Ab 1982 lehrte sie in Washington an der renommierten Universität Georgetown und beriet verschiedene demokratische Kandidaten – darunter Clinton, der sie nach seinem Wahlsieg Ende 1992 umgehend an Bord holte.
Auch nach ihrem Ausscheiden aus der Regierung 2001 und der Rückkehr als Professorin an die Universität Georgetown zog Albright sich nicht aus der Politik zurück. Sie gründete eine globale Beratungsfirma, die auch Joschka Fischer zu ihren Experten zählte. Zudem meldete sie sich immer wieder mit beissender Kritik an der Aussenpolitik zu Wort, etwa zum von Präsident George W. Bush angezettelten Irak-Krieg. Vor der Präsidentenwahl 2008 hatte Albright zunächst auf die Demokratin Hillary Clinton gesetzt, unterstützte dann aber den siegreichen Barack Obama. Dieser verlieh ihr 2012 als Präsident die Freiheitsmedaille, die höchste zivile Auszeichnung der USA. (awp/mc/ps)