Für Syrien gibt es nur diplomatische Rüffel. Bis jetzt.
Syriens Staatschef Baschar Al-Assad.
von Gérard Al-Fil
UNO, NATO und die Rebellen in Libyen sind sich einig: Gaddafi muss gehen. Seit Monaten versucht die westliche Allianz aus der Luft zusammen mit den Freischärlern am Boden einen Machtwechsel in Tripolis zu erzwingen. Bei Syriens Staatschef ist die «internationale Staatengemeinschaft» weniger entschlossen. Seit Monaten geht Syriens Armee gegen Protestler im ganzen Land vor. Der verwirrte Beobachter fragt sich, warum Assad nicht Gaddafis Schicksal teilt? Weil die Alternative ein Syrien nach iranischem Modell wäre.
Frontstaat Syrien
Seit dem Ausbruch des Arabischen Frühlings in Tunesien Anfang Jahr sorgen sich die USA und Europa in erster Linie um das Überleben Israels, und weniger um das Wohlergehen der arabischen Bevölkerung. Israels Status Quo als Dauerbesatzungsmacht der Palästinenser war vor allem durch das Stillhalten des inzwischen gestürzten Präsidenten Hosni Mubarak garantiert. Die einst von «elder statesman» Henry Kissinger aufgestellte Nahostformel, dass es «ohne Syrien keinen Frieden und ohne Ägypten keinen Krieg» zwischen Arabern und Israeli geben kann, gilt bis heute.
Israeli machen auf Arabisch
Eine Islamische Republik Syrien wäre für Israel eine Katastrophe. Die Achse Syrien-Iran würde sich noch mehr festigen. Der Erzfeind im Libanon, die schiitische Hisbollah würde noch stärker bewaffnet als bisher. Und die in den Startlöchern der Macht stehende Moslembrüderschaft in Ägypten erhielte aussenpolitischen Auftrieb. Der 1979 geschlossene Friedensvertrag zwischen Ägypten und Israel würde schnell Geschichte. Die Herzen am Nil hat der Friede von Camp David ohnehin nie erreicht. Syrien will erst Frieden mit Tel Aviv schliessen, wenn es das von Israel seit 1967 besetzte Gebirgsmassiv Golan zurück erhält. Unterdessen steht Israel selbst innenpolitisch unter Druck. In Tel Aviv demonstrieren seit Wochen hunderttausende Arbeitslose gegen Mondpreise für Mietwohnungen und soziale Misere.
Ban zu Assad: «Bitte aufhören!»
Die lasche UNO-Rüge von vergangener Woche gegen das Baath-Regime kommt einem Freibrief für den «Löwen von Damaskus» gleich. China und Russland tragen ihre strategischen Interessen am östlichen Mittelmeer offen zur Schau und halten zu Assad, verhindern eine scharfe UNO-Resolution mit Sanktionen. Syriens Botschafter in Teheran sagte der Tehran Times, die Aufstände in seinem Land seien Teil eines ausländischen Komplotts, ohne dabei einzelne Länder zu nennen.
Greift die NATO Syrien an?
Unterdessen hat Saudi-Arabien seinen Botschafter aus Damaskus abgezogen. Angesichts der Bilder, die das robuste Vorgehen der syrischen Armee während des islamischen Fastenmonats Ramadan dokumentieren, fällt es dern Herrschern am Golf schwer, still zu halten. Grund für das iranische Staatsmedium Presstv.ir zu sagen, Saudi-Arabien habe kein Recht gegen Syriens Machthaber zu protestieren, weil saudi-arabische Truppen selbst an der Niederschlagung der Proteste im Frühjahr in Bahrain beteiligt gewesen wären. Dabei wurden lediglich 2,000 saudi-arabische Polizisten nach Manama entsandt. Bahrain und Kuwait folgten Riad auf den Fuss und riefen ihre Botschafter zurück. Kuwait stellt seit einigen Monaten Syrern keine Touristen- und Aufenthaltsvisa mehr aus, genau so wenig wie Menschen aus dem Jemen, Irak und Iran.
Ob es bei der diplomatischen Empörung Assad gegenüber bleibt, ist indes nicht sicher. Der russische NATO-Botschafter Dmitri Rogosin will erfahren haben, eine NATO-Operation in Syrien sei bereits in Planung. Nicht aus humanitären Gründen. Sondern um ein dem Westen williges Regime in Damaskus zu installieren und um so das Überleben Israels zu sichern.