Fusion von VW und Porsche gerät zunehmend in Gefahr
VW-Konzernchef Martin Winterkorn.
Stuttgart – Die geplante Fusion von Porsche und Volkswagen gerät wegen neuer Ermittlungen gegen die frühere Porsche-Spitze zunehmend in Gefahr. Es wurden zwar Teile der Ermittlungen gegen den Ex-Porsche Chef Wendelin Wiedeking und den früheren Finanzvorstand Holger Härter eingestellt, neue sind jedoch hinzugekommen.
Porsche sieht den Zeitplan gefährdet, die Fusion noch 2011 auf den Weg zu bringen, das gesamte Gelingen stehe möglicherweise auf dem Spiel. VW blieb dagegen gelassen. Die geplante Verschmelzung könnte nun länger dauern, hiess es in Wolfsburg. An der operativen Zusammenarbeit ändert diese Verschiebung aber nichts. De facto tritt Porsche schon seit Monaten als zehnte Marke des VW-Konzerns auf, wenngleich die Wolfsburger bislang nur knapp die Hälfte am Sportwagengeschäft halten. Sollte die Fusion mit der Porsche SE nicht klappen, kann Volkswagen die restlichen 51,1 Prozent an der Sportwagenproduktion für knapp vier Milliarden Euro kaufen. Den Nachrichten entsprechend fiel die Marktreaktion bei Porsche deutlich drastischer aus als bei Volkswagen. Die Vorzugsaktien der Porsche SE stürzten um knapp elf Prozent auf 55,00 Euro ab, während die im Dax notierten Vorzugsaktien der Volkswagen AG in einem schwachen Gesamtmarkt rund drei Prozent auf 112,45 Euro sanken.
Porsche-Vorstand glaubt noch an Fusoion 2011
Am späten Mittwochabend hatte Porsche mitgeteilt, wegen der laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart sinke die Wahrscheinlichkeit, dass es wie ursprünglich geplant 2011 zu einer Verschmelzung komme von 70 auf 50 Prozent. Zudem könnte das ganze Projekt kippen. «Kommt es zu wesentlichen Verzögerungen des Verschmelzungsprozesses gegenüber dem Zeitplan der Grundlagenvereinbarung, sinkt nach Einschätzung des Vorstands der Porsche SE auch die Wahrscheinlichkeit eines Gelingens der Verschmelzung insgesamt», hiess es in der Porsche-Erklärung. Der Vorstand der Porsche SE selbst geht derzeit allerdings trotz der juristischen Probleme weiter davon aus, dass eine Verschmelzung – gegebenenfalls auch noch nach 2011 – gelingen kann.
Staatsanwalt ermittelt jetzt auch wegen Untreue
Die Staatsanwaltschaft teilte am Donnerstag mit, dass in den Ermittlungen gegen Wiedeking und Härter der Vorwurf der handelsgestützten Marktmanipulation fallengelassen wurde. Gleichzeitig wurde das Verfahren gegen die beiden Manager um den Verdacht der Untreue erweitert. Die Ermittler prüfen nun den Vorwurf, ob die beiden Ex-Vorstände im Zuge des gescheiterten VW-Übernahmeversuchs durch Porsche «existenzgefährdende Risiken» für den Stuttgarter Sportwagenbauer durch den Abschluss von Aktienkurs-Sicherungsgeschäften eingegangen seien. Ferner gibt es auch Ermittlungen wegen des Verdachts des Kreditbetrugs gegen drei verantwortliche Porsche-Mitarbeiter aus dem Finanzbereich.
Volkswagen bleibt gelassen
Für Experten kommt die Nachricht über mögliche Verzögerungen bei der Fusion oder gar einen Scheitern nicht komplett überraschend. Schon im Herbst hatte das VW-Management, das die Porsche SE in Personalunion führt, erstmals offiziell eingeräumt, dass die juristischen Auseinandersetzungen den Zeitplan in Frage stellen. Diese zurückhaltende Haltung behielt VW-Chef Martin Winterkorn auch nach dem Teilerfolg von Porsche vor einem US-Gericht bei. Dieses hatte kurz vor Jahreswechsel Schadensersatzklagen von Investoren abgewiesen. Winterkorn zeigte sich Anfang Januar zwar optimistischer, verwies aber auf die Revisionsmöglichkeiten der Kläger in den USA und die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Volkswagen sieht die aktuellen Verzögerungen unterdessen gelassen. «Volkswagen steht weiter voll hinter der Grundlage und der Verschmelzung mit Porsche und arbeitet an der Umsetzung», hiess es aus Wolfsburg.
Details zur Struktur der Übernahme
Den Startschuss für die Integration von Porsche gab die Übernahme von rund der Hälfte des Sportwagengeschäfts durch VW Ende 2009. Eine gleichzeitig vereinbarte Optionsstruktur ermöglicht Volkswagen die Übernahme auch der übrigen 50,1 Prozent zum Festpreis von weiteren 3,9 Milliarden Euro. Die Kauf- und Verkaufs-Optionen können aber erst in bestimmten Zeitfenstern zwischen dem 15. November 2012 und 31. Januar 2015 ausgeübt werden. Laut Mitteilung vom Mittwochabend rechnet Porsche frühestens zu Jahresbeginn 2012 mit einem Abschluss des Ermittlungsverfahrens der Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Wegen der Verzögerungen muss der Wert der jeweiligen Optionen neu berechnet werden, hiess es weiter. Nach Einschätzung von Analysten kommt es zu negativen finanziellen Auswirkungen bei Porsche und zu einem positiven Effekt bei VW. Beide Unternehmen wollen sich erst auf ihren Bilanzpressekonferenzen im März zu den finanziellen Folgen äussern. Volkswagen gibt den Wert der Put-/Call-Rechte im Bericht zu den ersten neun Monaten 2010 mit 863 Millionen Euro an.
Blatt hat sich gewendet
Porsche rechnet trotz der neuen Ermittlungen weiter damit, dass die geplante Kapitalerhöhung in Höhe von fünf Milliarden Euro. «Wir gehen davon aus, dass wir die Beschlüsse der Hauptversammlung vom 30. November 2010 im vorgesehenen Zeitrahmen bis Ende Mai 2011 erfolgreich umsetzen werden», sagte ein Porsche-Sprecher. Damit soll eine Ende Juni fällige Kredittranche von 2,5 Milliarden Euro zurückgezahlt werden und die Verschuldung von zuletzt rund sechs Milliarden Euro gesenkt werden. Porsche muss bis Ende Juni eine erste Kredittranche in Höhe von 2,5 Milliarden Euro zurückzahlen.
Jahrelange Übernahmeschlacht
Die seit September 2007 anhaltende Übernahmeschlacht zwischen Porsche und Volkswagen ist eine der spannendsten Wirtschaftsgeschichten Deutschlands in de jüngeren Geschichte. Lange Zeit sah der deutlich kleinere Sportwagenbauer Porsche wie der sichere Sieger aus. Den beiden früheren Porsche-Machern Wiedeking und Härter gelang es über waghalsige Finanzkonstruktionen, Porsche 2008 den den Zugriff auf gut 74 Prozent der VW-Stammaktien zu sichern und lösten damit Kurskapriolen bei den VW-Aktien aus. Doch in der Wirtschaftskrise platzte die Finanzierung des Konstrukts und damit die Träume Wiedekings. Er und sein Finanzvorstand mussten den Platz räumen und Volkswagen war am Drücker. (awp/mc/ps)