G20: Kriterien im Kampf gegen künftige Krisen
Christine Lagarde, französische Finanzministerin.
Paris – Die führenden Wirtschaftsnationen der Erde (G20) krempeln ihr Krisenmanagement um. Erstmals einigte sich die sogenannte Gruppe der 20 auf Messgrössen, um gefährliche Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft rechtzeitig erkennen und bekämpfen zu können.
Die in der G20 zusammengeschlossenen Industrie- und Schwellenländer machen 85 Prozent der globalen Wirtschaftskraft aus. Im nächsten Schritt wird es nun darum gehen, Alarmschwellen für jeden Indikator zu finden. Dies soll bis April geschafft sein. Der Internationale Währungsfonds (IWF) soll sich darum kümmern, die Leitlinien umzusetzen.
Schäuble: «Ein Ergebnis, mit dem wir alle leben können»
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) äusserte sich zufrieden. «Es ist ein Ergebnis, mit dem wir alle leben können», sagte er. Ein ganzes Bündel von Messgrössen werde zugrunde gelegt: Schuldenstand und Haushaltsdefizit, private Sparquote und privater Schuldenstand, Aussenhandelsbilanz und Investitionsströme. Auch sollen Wechselkurse sowie Steuer- und Währungspolitik berücksichtigt werden. «Wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis», sagte auch die französische Finanzministerin Christine Lagarde, die den Vorsitz führte, am Samstag. Die Verhandlungen seien «offen, manchmal angespannt» gewesen. Um China mit ins Boot zu holen, wurden die Währungsreserven nicht mehr ausdrücklich als Kriterium genannt.
Währungsstreit
Schäuble sagte, mit dieser Auswahl von Kriterien sei gewährleistet, dass Länder mit einem hohen Exportüberschuss – wie Deutschland – nicht als Hauptursache bei künftigen Schwierigkeiten identifiziert würden. Zudem gebe es keine klaren Zielvorgaben, die Deutschland unter Druck gesetzt hätten. Vor allem China hatte sich bei den Verhandlungen lange quer gestellt. Das Land sitzt auf den weltgrössten Währungsreserven. Ausserdem ist die chinesische Währung gemessen an der Wirtschaftskraft des Landes zu niedrig bewertet. So können die Chinesen ihre Waren besonders billig in andere Länder exportieren. Die USA hatten Peking in der Vergangenheit immer wieder vorgeworfen, den Yuan künstlich niedrig zu halten.
China am Pranger
In der Debatte über wirtschaftliche Ungleichgewichte stehen vor allem Exportnationen wie China und Deutschland mit ihren Exportüberschüssen am Pranger. Immer wieder gab es Vorstösse aus dem G20-Kreis, Exporte solcher Länder zu begrenzen – denn die hohen Überschüsse in der Handels- und Leistungsbilanz dieser Länder gehen Hand in Hand mit Defiziten in anderen Ländern. Die Leistungsbilanz der Vereinigten Staaten ist beispielsweise deutlich negativ. Der starke Anstieg der Rohstoff- und Lebensmittelpreise, die der französischen G20-Präsidentschaft besonders wichtig sind, wurden diskutiert, ohne dass es konkrete Ergebnissen gab. «Es ist dringend notwendig und gut, dass die Finanzminister sich damit beschäftigen. Wir setzen alles daran, übermässige Preisschwankungen zu verhindern», sagte Schäuble. Steigende Preise für Grundnahrungsmittel treffen die Menschen vor allem in Entwicklungsländern.
Sarkozy warnt vor Alleingängen
Eine Finanztransaktionssteuer ist in der Abschlusserklärung nicht einmal erwähnt. Schäuble versicherte aber, dass Deutschland Frankreich in den Bemühungen um eine solche Steuer unterstütze. Er halte es für sinnvoll, sie zunächst auf EU-Ebene einzuführen, sagte er. «Wenn man sich nicht global darauf verständigen kann, dann können ja einige vorangehen.» Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatte die grossen Industrie- und Schwellenländer vor nationalen Alleingängen gewarnt. Gerade in Krisenzeiten sei die Versuchung gross, nationale Interessen in den Vordergrund zu rücken. «Dies wäre das Ende der G20» mahnte er. (awp/mc/ps)