Oberentfelden – Der US-Industriekonzern General Electric (GE) setzt zu weiteren Einschnitten in der Schweiz an. Die Stromnetzsparte GE Grid Solutions will die Produktion in Oberentfelden AG einstellen. Davon wären 436 Angestellte betroffen, teilte GE am Freitag mit.
Gemäss Gewerkschaften beläuft sich die Gesamtzahl der Stellen inklusive Temporärjobs gar auf 562. Allenfalls könnten 57 Stellen erhalten bleiben, heisst es vom Unternehmen. Diese Stellen stammten hauptsächlich aus den Bereichen Forschung und Entwicklung, Logistik, Verkauf sowie Dienstleistungen zur Betreuung der Anlagen in der Schweiz.
Grund für den Abbau seien die schwierigen Aussichten für den globalen Markt für gasisolierte Schaltanlagen (GIS) und die Notwendigkeit von der Sparte Grid, ihre Produktionsstandorte zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit zu konsolidieren.
Erhebliche Überkapazitäten
Der GIS-Markt sei durch erhebliche Überkapazitäten gekennzeichnet, was zu einem starken Preisverfall geführt habe. Nach Schätzungen von GE Grid Solutions seien die Preise seit ihrem Höchststand von 2008 um rund 40 Prozent gefallen.
Der Abbau-Vorschlag sei dem Europäischen Betriebsrat (EBR) von General Electric am vergangenen Mittwoch als Teil einer grösseren Transformation des Geschäftsbereichs in Europa vorgelegt worden, schrieb der Industriekonzern weiter.
Eine endgültige Entscheidung über den Abbbau in Oberentfelden werde erst dann getroffen, wenn die Konsultationsverfahren mit dem Europäischen Betriebsrats und den Oberentfelder Personalvertretern abgeschlossen seien. Beide Konsultationen liefen voraussichtlich bis Ende dieses Jahres.
Erneuter Personalabbau
Der US-Konzern tritt in der Schweiz bereits seit längerer Zeit auf die Kostenbremse und baut Personal ab. Im Juni 2019 hatte der Konzern den Abbau von rund 450 Jobs in Baden und Birr angekündigt. Nach Abschluss des Konsultationsverfahrens erhielten schliesslich 200 Mitarbeitende den blauen Brief.
Gründe dafür waren die natürliche Fluktuation, Vereinbarungen mit Dritten, Frühpensionierungen sowie ein geringerer Abbau von Stellen. Ein GE-Sprecher bezifferte die Anzahl der Beschäftigten von GE in der Schweiz damals auf noch auf noch rund 2’700 nach 3’050 Personen vor der damaligen Restrukturierung. Nun könnte die Anzahl der hiesigen Mitarbeiter also auf unter 2’300 fallen.
GE habe sich aber verpflichtet, die potenziell betroffenen Mitarbeitenden zu unterstützen und ihnen mit eigenen internen GE-Stellenvermittlungszentrum auf der Suche nach einem neuen Job zu helfen, schrieb der Konzern.
Aargauer Regierung enttäuscht
Bei der Politik stösst der Entscheid auf Unverständnis. Der Aargauer Regierungsrat äusserte sich enttäuscht darüber, dass General Electric die früheren Zusicherungen zum Erhalt der Arbeitsplätze im Kanton nicht mehr einhalten wolle, teilte die Staatskanzlei Aargau am Freitag mit.
Der Regierungsrat fordere zusammen mit Bundesrat Guy Parmelin als Wirtschaftsminister die GE-Leitung auf, auf die Verlagerung des Standorts Oberentfelden nach Frankreich zu verzichten. Man erwarte, dass GE ernsthaft nach Lösungen suche, um möglichst viele Stellen der Produktionsbetriebe in der Schweiz beziehungsweise im Aargau zu erhalten.
Harsche Kritik von den Gewerkschaften
Auch die Arbeitnehmervertretungen üben harsche Kritik an den Plänen. «Es wäre die vierte grosse Abbauwelle in vier Jahren. Die Personalvertretung und Arbeitnehmerorganisationen fordern den kompletten Verzicht auf Entlassungen», schrieben die Gewerkschaften Unia, Syna sowie die Angestellten Schweiz, der Käufmännische Verband und die Personalvertretung Staff Council in einer gemeinsamen Stellungnahme.
In den Jahren 2018 und 2019 habe General Electric gegenüber den Beschäftigten und den Behörden Zusicherungen für die Schweizer Standorte gemacht. Diese seien erneut nicht eingehalten worden. «Wir kritisieren diesen Vertrauensbruch scharf», so die Unia.
Auch der Bundesrat müsse «endlich Klartext reden». Es sei nicht akzeptabel, dass GE seine industrielle Substanz in der Schweiz zerschlage. «Die Landesregierung muss bei GE in den USA und in Frankreich, wo die Entscheide getroffen werden, intervenieren», lautet die Forderung. (awp/mc/pg)