Moskau – In einem weiteren umstrittenen Prozess gegen den inhaftierten Kremlgegner Alexej Nawalny hat ein russisches Gericht den 45-Jährigen zu neun Jahren Straflager unter besonders harten Haftbedingungen verurteilt. Zudem soll der Oppositionelle, der als bekanntester Gegner von Präsident Wladimir Putin in Russland gilt, 1,2 Millionen Rubel Strafe (umgerechnet 8200 Euro) zahlen, wie die Agentur Interfax am Dienstag meldete.
In dem als politische Inszenierung kritisierten Verfahren sprach die Richterin Nawalny unter anderem wegen Betrugs in besonders grossem Umfang schuldig. Der Angeklagte habe sich auf dem «Weg der Täuschung und des Missbrauchs von Vertrauen das Vermögen von Fremden» erschlichen, erklärte Richterin Margarita Kotowa demnach.
Das Team des Kremlgegners sieht das Vorgehen der russischen Justiz als weiteren Versuch an, Nawalny mundtot zu machen. Es handele sich um ein von Putin und der Präsidialverwaltung in Moskau gesteuertes Verfahren, sagte die Sprecherin des Oppositionellen, Kira Jarmysch. «Erst hat er (Putin) versucht, Alexej zu töten, und als das scheiterte, hat er entschieden, ihn für immer im Gefängnis zu halten.»
Angebliche Veruntreuung von Geldern
Verantworten musste sich der zweifache Familienvater diesmal wegen angeblicher Veruntreuung von Geldern für seine inzwischen in Russland verbotene Anti-Korruptionsstiftung und wegen Beleidigung einer Richterin in einem früheren Verfahren. Nach Angaben seines Teams hatten ihm bis zu 15 Jahre Haft gedroht.
Giftanschlag im August 2020
Der Kremlgegner hatte einen Mordanschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok im August 2020 nur knapp überlebt. Präsident Putin wies eine Beteiligung zurück. Die EU hatte wegen des Attentats Sanktionen gegen Russland verhängt.
Nawalny war nach seiner Genesung in Deutschland, wo ihn die damalige Kanzlerin Angela Merkel in der Charité in Berlin besucht hatte, vor mehr als einem Jahr nach Russland zurückgekehrt. Er wurde am 17. Januar 2021 am Flughafen in Moskau festgenommen, weil er gegen Auflagen in einem anderen Strafverfahren verstossen haben soll.
Gegen Meldeauflagen verstossen…
Die russische Justiz hatte ihm vorgeworfen, während seiner Genesung in Deutschland in der Heimat gegen Meldeauflagen verstossen zu haben. Ein Gericht wandelte daraufhin eine Bewährungsstrafe aus einem früheren Verfahren wegen angeblichen Betrugs in Straflager-Haft um. Die mehrjährige Haftstrafe verbüsst er in einem Straflager in Pokrow rund 100 Kilometer östlich von Moskau.
Nawalnys Sprecherin Jarmysch befürchtet, dass er nun als «Wiederholungstäter» eingestuft und in ein Lager mit härteren Haftbedingungen deutlich weiter weg von Moskau gebracht werden könnte. «Es wird dann praktisch unmöglich sein, Zugang und Kontakt zu ihm zu haben», sagte Jarmysch.
Bisher gelingt es dem Politiker immer wieder, über seine Anwälte Botschaften an die Öffentlichkeit zu bringen. So wurden zuletzt auch Nawalnys Aufrufe zu Protesten gegen Putins Krieg gegen die Ukraine in sozialen Netzwerken verbreitet. (awp/mc/pg)