San Francisco / Leverkusen – Trotz einer deutlich verringerten Strafzahlung will Bayer in einem wichtigen Glyphosat-Prozess in den USA Berufung einlegen. Der zuständige Richter Vince Chhabria reduzierte die von einer Jury verhängte Summe von gut 80 Millionen Dollar am Montag (Ortszeit) auf 25,3 Millionen Dollar (22,5 Mio Euro). Chhabria begründete dies vor allem damit, dass das Verhältnis zwischen regulärem Schadenersatz und sogenanntem Strafschadenersatz in einem verfassungsrechtlich angemessenen Rahmen bleiben müsse.
Am Urteil, dass Bayer für die Krebserkrankung des Klägers Edwin Hardeman haften muss, ändert die Entscheidung indes nichts. Hardeman hatte den glyphosathaltigen Unkrautvernichter Roundup des von Bayer übernommenen US-Saatgutriesen Monsanto für sein Leiden verantwortlich gemacht. Die Geschworenen hatten ihm zunächst gut fünf Millionen Dollar Schadenersatz und 75 Millionen Dollar an Strafschadenersatz zugesprochen. Letzterer wird im US-Recht als Zusatzsanktion bei besonders schweren Entschädigungsfällen verhängt.
Strafschadenersatz um 55 Mio USD gekürzt
Richter Chhabria hatte bereits zuvor angekündigt, dass der Strafschadenersatz zu hoch ausgefallen sei, da er den Schadenersatz verfassungsrechtlich bedingt nicht um mehr als das Neunfache übersteigen dürfe. Deshalb kürzte er ihn jetzt um 55 Millionen Dollar. Bayer begrüsste dies zwar in einem Statement als «Schritt in die richtige Richtung», blieb aber dabei, dass der Schuldspruch nicht der Beweislage entspreche. Der Konzern beabsichtige deshalb, bei einem Berufungsgericht Einspruch einzulegen.
Bayer hatte das ursprüngliche Urteil vom März bereits in erster Instanz angefochten und Anträge gestellt, das Verfahren in einem neuen Prozess aufzurollen oder die Strafzahlung zu senken. Der Dax -Konzern ist in den USA mit über 13 400 Klagen wegen angeblicher Krebsgefahren von Monsanto-Produkten konfrontiert. Bayer weist diese Vorwürfe zwar vehement zurück, unterlag aber in den ersten drei US-Prozessen. Hardeman war der zweite Fall, der verhandelt wurde. Auch beim ersten wurde die Strafe später stark verringert.
Im jüngsten Fall hatte eine US-Jury einem an Krebs erkrankten Rentnerehepaar im Mai insgesamt sogar umgerechnet fast 1,8 Milliarden Euro an Schadenersatz zugesprochen. Allerdings kündigte Bayer auch hier umgehend an, das Urteil anzufechten. Der Leverkusener Konzern hatte Monsanto im vergangenen Jahr für rund 63 Milliarden Dollar übernommen, was sich als sehr riskant entpuppte. Zwischenzeitlich fiel Bayers Börsenwert angesichts der hohen Rechtslasten sogar unter die Kaufsumme, zuletzt notierte er nur knapp darüber.
Richter drängt Parteien zu gütlicher Einigung
Bis es in den zahlreichen US-Verfahren um Glyphosat zu endgültigen rechtskräftigen Entscheidungen kommt, könnte noch viel Zeit vergehen. Meist werden solche Massenklagen in den USA aber ohnehin früher oder später mit einem grossen Vergleich beigelegt. Richter Chhabria, bei dessen Gericht in San Francisco mehrere Hundert Klagen gebündelt sind, hat die Streitparteien bereits zu einer gütlichen Einigung gedrängt und eine Prozesspause verordnet. Zuletzt war der US-Staranwalt Ken Feinberg als Schlichter bestellt worden.
Viele der US-Klagen stützen sich auf eine Studie der WHO-Krebsforschungsagentur IARC, die Monsantos Unkrautvernichter 2015 als «wahrscheinlich krebserregend» für Menschen einstufte. Der Bayer-Konzern bestreitet dies energisch und argumentiert seinerseits mit zahlreichen Studien, die belegen sollen, dass die Produkte bei vorschriftsgemässer Anwendung ungefährlich sind. Die US-Umweltbehörde EPA bestätigte im Gegensatz zu den jüngsten Gerichtsurteilen kürzlich ihre Einschätzung, dass Glyphosat nicht krebserregend sei. (awp/mc/ps)