Griechenland bekommt neue Regierung
Ministerpräsident Giorgos Papandreou dürfte neuer Regierung nicht mehr vorstehen.
Athen – Die Euro-Schuldenkrise hält den Kontinent weiter in Atem: In Griechenland soll eine Übergangsregierung das Land in den kommenden Monaten aus der Krise führen und vor der Staatspleite bewahren. Frankreich muss sich wegen der schwachen Konjunktur auf ein rigoroses Sparpaket einstellen, im hochverschuldeten Italien nehmen die Proteste gegen den angeschlagenen Staatschef Silvio Berlusconi zu. Die Euro-Finanzminister beraten an diesem Montag Details zur Stärkung des Euro-Rettungsfonds EFSF – seine Schlagkraft soll auf bis zu eine Billion Euro wachsen.
Nach tagelangem Gezerre gab es am Sonntagabend eine Einigung in Athen. Die Übergangsregierung soll aus den beiden grossen Parteien des Landes – den Sozialisten und den Konservativen – bestehen. Hauptaufgabe sei die Umsetzung der EU-Beschlüsse vom 26. Oktober. Anschliessend soll es Neuwahlen geben. Das teilte das Büro des griechischen Präsidenten Karolos Papoulias mit. Der bisherige Ministerpräsident Giorgos Papandreou wird die neue Regierung nicht führen, wie es hiess.
Papademos Chef der Übergangsregierung?
An diesem Montag soll der Name des neuen Regierungschefs bekanntgegeben werden. Nach Informationen griechischer Medien soll der ehemalige Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Lucas Papademos, Chef der Übergangsregierung werden. Offiziell wurde dies nicht bestätigt. Zudem ist ein Treffen von Papoulias mit den wichtigsten Politikern des Landes geplant. Dabei soll geklärt werden, welche anderen Parteien an der Übergangsregierung beteiligt werden sollen. Diese sollte spätestens am Montag stehen und mit breiter Mehrheit im Parlament Massnahmen zur Abwendung eines Staatsbankrotts durchsetzen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass das Land von den internationalen Geldgebern mit frischem Kapital versorgt wird, sonst droht Athen im Dezember die Zahlungsunfähigkeit.
Drei Krisengipfel für Griechenland in 11 Tagen
Nach drei Krisengipfeln für Griechenland und die Euro-Währung innerhalb von nur elf Tagen befassen sich die Finanzminister der 17 Euro-Staaten an diesem Montag mit den Details der Rettungspläne. Bei einem Treffen in Brüssel geht es vor allem um die Erhöhung der Schlagkraft des Euro-Rettungsfonds EFSF auf etwa eine Billion Euro. Medienberichte, es könnte auch über das Anzapfen von Gold- und Devisenreserven der nationalen Zentralbanken beraten werden, hatte Regierungssprecher Steffen Seibert zuvor zurückgewiesen.
Die Staats- und Regierungschefs der Eurostaaten hatten in der Nacht zum 28. Oktober unter anderem beschlossen, das Garantievolumen des Rettungsfonds durch einen «Hebel» von 440 Milliarden auf rund eine Billion Euro zu erhöhen. Unter dem Vorsitz des luxemburgischen Premier- und Schatzministers Jean-Claude Juncker reden die Euro-Minister über die Einzelheiten des «Hebels». Es geht einerseits darum, Staatsanleihen von bestimmten Euro-Ländern durch eine Art Versicherung für Anleger wieder attraktiver zu machen. Zum anderen wird die Schaffung von besonderen Fonds vorbereitet, in die auch Staatsfonds anderer Staaten – etwa China – investieren könnten.
Drohende Staatspleite
Die schnelle Bildung der neuen Regierung ist für Griechenland ausserordentlich wichtig. Solange das Land das neue Hilfsprogramm und die nötigen Gesetze nicht gebilligt hat, wird es kein Geld von den internationalen Geldgebern mehr bekommen und bald pleite sein – möglicherweise schon im Dezember.
Tui sichert ab gegen mögliche Rückkehr Athens zur Drachme
Das Vertrauen in einen Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone schwindet unterdessen weiter. Der Reisekonzern Tui will sich bereits durch neue Verträge mit griechischen Hoteliers gegen eine mögliche Rückkehr des Landes zur Drachme absichern. «Das ist auch im Sinn der Urlauber», bestätigte Konzernsprecher Robin Zimmermann am Samstag einen Bericht der «Bild-Zeitung». Ökonomen gehen davon aus, dass eine neue griechische Währung direkt nach der Einführung massiv an Wert verlieren könnte. Für diesen Fall will Tui Zahlungen an griechische Hotels absichern. «Wenn der Euro nicht mehr die Währung sein sollte …, ist Tui berechtigt, die Geldsumme in der neuen Währung zu bezahlen», zitiert «Bild» aus dem Schreiben.
Experten gegenüber Verbleib Athens in Euro-Zone skeptisch
Der Präsident des Münchner ifo Instituts, Hans-Werner Sinn, sieht keine Möglichkeit mehr für einen Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone. «Die Griechen haben keine Chance, im Euro-Raum wettbewerbsfähig zu werden. Sie müssten ihre Löhne um die Hälfte senken. Das geht nur durch Austritt und Abwertung», sagte Sinn der «Wirtschaftswoche».
Heimliche Wiedereinführung der Drachme?
Um ein panikartiges Abräumen der Euro-Guthaben bei Banken zu vermeiden, müsste die Regierung in Athen die Rückkehr zur Drachme wohl heimlich vorbereiten. «Am besten führt man die Währungsreform an den Weihnachtsfeiertagen durch», sagte der Währungsexperte Manfred Neumann, Professor an der Universität Bonn, der «Wirtschaftswoche». Man müsse dann das ganze Land abschotten. Die Grenzen müssten geschlossen werden, Banküberweisungen wären verboten, um den Abfluss von Geldern einzudämmen. «Um die neuen Scheine zu drucken, braucht man etwa drei Tage», sagt Neumann.
Neues Sparprogramm in Frankreich
Frankreichs konservative Regierung will mit einem der strengsten Budgets seit Kriegsende trotz erlahmender Wirtschaftskraft seine Top-Bonität am Kapitalmarkt absichern. Premierminister François Fillon kündigte am Sonntag dazu eine Pressekonferenz für Montag an. Französische Medien hatten am Wochenende bereits über eine Ankündigung neuer Sparmassnahmen zweieinhalb Monate nach dem ersten Sparprogramm der Regierung spekuliert. «Wir werden 2012 eines der striktesten Budgets seit 1945 haben», hatte Fillon am Samstag im Wintersportort Morzine betont.
Zehntausende gegen Berlusconi auf der Strasse
Die Regierung von Präsident Nicolas Sarkozy hatte für 2012 das Wirtschaftswachstum zunächst auf 1,7 und nun auf 1,0 Prozent nach unten korrigiert. Damit fehlen nach Sarkozys Angaben 6 bis 8 Milliarden Euro im Haushalt zum Erreichen der Sparziele. In Rom protestierten am Samstag zehntausende Menschen und forderten den Rücktritt von Staatschef Silvio Berlusconi. SPD-Chef Sigmar Gabriel mahnte auf der Kundgebung der Oppositionspartei PD (Demokratische Partei) den Kampf der sozialdemokratischen Kräfte in Europa «für die Rückkehr der Demokratie und gegen die Herrschaft der Finanzmärkte» an. (awp/mc/ps)
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