Griechenland-Rettung: Kein Durchbruch in Brüssel
Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras.
Brüssel / Athen – Die Rettung Griechenlands vor der Staatspleite bleibt eine Zitterpartie. Auch dreitägige Verhandlungen über eine Reformliste, die Athen rund drei Milliarden Euro neue Einnahmen bringen sollen, brachten am Wochenende keinen Durchbruch. Die Geldgeber werteten die griechischen Vorschläge als unzureichend und verlangen Nachbesserungen.
Neue Reformen sind Voraussetzung dafür, dass die Geldgeber von Europäischer Zentralbank (EZB), EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds (IWF) die bislang blockierten 7,2 Milliarden Euro Finanzhilfen freigeben. Athen braucht das Geld dringend, weil seine Kassen schon Mitte April leer sein könnten.
Kreise: Keine brauchbare Verhandlungsgrundlage
Es gebe keine brauchbare Verhandlungsgrundlage, verlautete am Sonntag aus Kreisen der Teilnehmer in Brüssel. Statt der versprochenen Reformliste habe die griechische Delegation lediglich Dokumente in elektronischer Form auf mobilen Geräten präsentiert – und dann auch noch auf Griechisch. Die Regierungsvertreter hätten die Vorschläge mündlich vorgetragen. Auch am dritten Tag der Gespräche habe es quasi keine Fortschritte gegeben. «Die Liste ist viel zu vage, nicht glaubwürdig und nicht überprüfbar», sagte ein EU-Diplomat.
Die EU-Kommission rechnet nun erst in den kommenden Tagen mit einer engdültigen Reformliste der griechischen Regierung. «Wir erwarten die Liste bis Anfang der Woche», sagte der für Währung zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, der «Welt» (Online Sonntag, Print Montag). Er kritisierte: «Griechenland hat über Jahre hinweg Reformen hinausgeschoben.»
Verhandlungen seit Freitagabend
Seit Freitagabend hatten Vertreter Griechenlands mit Experten der Geldgeber in Brüssel verhandelt. Nur falls die Geldgeber grünes Licht geben, könnten die Euro-Finanzminister die blockierten Hilfen freigeben. Das für diese Woche geplante Treffen der Eurogruppe wird laut EU-Diplomaten aber wohl frühestens nach Ostern stattfinden können. Die Gespräche sollen in den kommenden Tagen weitergehen.
Griechenland stehen aus verschiedenen Quellen noch 7,2 Milliarden Euro zu. Dem Land droht die Zahlungsunfähigkeit, es ist vom Kapitalmarkt abgeschnitten und die Steuereinnahmen brachen zuletzt ein. «Akrobatik mit leeren Kassen», lautete der Tenor in der Athener Traditionszeitung «To Vima».
«Spiegel»: Griechenland braucht noch mehr Geld
Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» braucht das pleitebedrohte Land wegen des Reformstopps noch mehr Hilfsgelder als bislang angenommen. Experten rechnen laut Bericht mit einer zusätzlichen Finanzierungslücke von 10 bis 20 Milliarden Euro.
Die aktuelle Reformliste mit rund 18 Massnahmen soll Griechenland mindestens drei Milliarden Euro einbringen. Dabei geht es vor allem um den Kampf gegen Steuerhinterziehung, während Kürzungen von Gehältern und Renten nicht dazu gehören sollen. Dem Vernehmen nach geplant ist eine Erhöhung des Höchststeuersatzes auf bis 45 Prozent, eine neue Immobiliensteuer, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für Luxuswaren, der Kampf gegen Steuerhinterziehung durch die Verbindung aller Registrierkassen mit dem Steueramt, Privatisierungen sowie die Kontrolle aller Geldeinlagen von Griechen im Ausland.
Tsipras droht mit Zahlungsausfall
Kurz vor Beginn der Verhandlungen hatte die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras den Druck erhöht und mit Zahlungsausfall gedroht. Tsipras forderte auch einen Schuldenschnitt. Nötig sei eine «Änderung der Rückzahlungsbedingungen der Schulden sowie deren Reduzierung», sagte er der Athener Sonntagszeitung «Real News». Gemeint sind niedrigere Zinsen, spätere Fälligkeiten und ein faktischer Verzicht der Geldgeber auf einen Teil ihrer Forderungen.
Unterdessen senkte die US-Ratingagentur Fitch ihre Einschätzung der Kreditwürdigkeit des pleitebedrohten Euro-Landes Griechenland um zwei Stufen auf «CCC». Schon zuvor waren griechische Anleihen den Experten zufolge nur noch für Spekulanten geeignet («Ramsch»).
Griechen räumen Konten leer
Die Griechen heben angesichts der schweren Finanzkrise immer mehr Geld von ihren Konten ab. Die Einlagen sanken nach Bankenangaben auf den niedrigsten Stand seit Ausbruch der Schuldenkrise, berichtete am Samstag die konservative Zeitung «Kathimerini». Knapp 44 Prozent der Griechen haben laut einer Umfrage Angst vor einem Austritt ihres Landes aus dem Euroraum («Grexit»). Das ergab eine Befragung des Meinungsforschungsinstituts der Universität von Thessaloniki, die die Athener Zeitung «Kathimerini» am Sonntag veröffentlichte.
Griechenland ist auf Notkredite angewiesen, die die EZB regelmässig neu bewilligen muss. Griechenland kann die Staatspleite nach Überzeugung von Ökonom Carsten Brzeski derzeit nur dank der EZB-Hilfen verhindern. «Die EZB hält den Schlüssel für den Grexit in der Hand», sagte der ING -Diba-Chefvolkswirt der Deutschen Presse-Agentur in Frankfurt. Die EZB halte die Banken des Landes am Leben, indem sie den Rahmen für Ela-Notkredite ständig erhöhe.
Unabhängig von der Reformliste geht das Tauziehen um 1,2 Milliarden Euro Banken-Hilfsgeld weiter. Athen macht geltend, es habe zu viel geparktes Hilfsgeld für die Bankenrettung an den Euro-Krisenfonds in Luxemburg zurückgezahlt und verlangt Geld zurück. (awp/mc/ps)