Redaktionsgebäude des «Guardian» an der Crinan Street im Londoner Stadtteil Islington.
London – Nach dem umstrittenen Vorgehen der britischen Behörden gegen die Enthüller des «Guardian» legt die Zeitung nach. Das Blatt legte erstmals klare Beweise für die Verstrickung grosser Computer- und Internetfirmen in die Datenspionage des US-Geheimdienstes NSA vor. Das Blatt veröffentlichte Originalauszüge von NSA-Dokumenten, die die Beteiligung von Unternehmen wie Yahoo, Facebook und Google am Spionageprogramm «Prism» untermauern. Die Firmen hätten Millionen von US-Dollar für ihre Kooperation bekommen.
Die abgedruckten Dokumente aus dem Fundus des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden beschäftigen sich unter anderem mit den Folgen eines Gerichtsurteils in den USA aus dem Jahr 2011, dass den Spähern die Arbeit erschwerte. Die Zusammenarbeit mit den Internetfirmen musste danach auf eine neue Basis gestellt werden.
In einem der Dokumente heisst es wörtlich: «Alle PRISM-Provider, mit Ausnahme von Google und Yahoo, wurden erfolgreich auf die neue Zertifizierung umgestellt. Wir erwarten, dass Yahoo und Google die Umstellung bis zum 6. Oktober beenden.»
Google und Facebook bestreiten
Ein Google-Sprecher erneuerte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa den Standpunkt des Unternehmens, nie mit der NSA zusammengearbeitet zu haben. «Wir haben uns nicht an Prism oder einem anderen Überwachungsprogramm der Regierung beteiligt», heisst es in der Stellungnahme. Facebook gab an, nie Ausgleichszahlungen für die Beteiligung an einem Überwachungsprogramm erhalten zu haben.
Yahoo räumte dagegen ein, am «Prism»-Programm beteiligt gewesen zu sein. Laut US-Gesetzgebung müssten Firmen dafür entschädigt werden, wenn sie zur Zusammenarbeit mit der Regierung verpflichtet werden. Diese Entschädigung habe Yahoo geltend gemacht.
Die neue Enthüllung des «Guardian» hatte Chefredaktor Alan Rusbridger bereits vor Tagen angekündigt. «Wir werden in den nächsten Wochen vor allem mehr erfahren, was die Beziehung zwischen Regierungen, Geheimdiensten und den grossen Internet- und Technologiefirmen angeht», sagte er «Spiegel Online».
Spähbasis in Nahost
Am Freitag hatte mit dem «Independent» eine andere britische Zeitung enthüllt, dass der britische Geheimdienst GCHQ eine Spähbasis im Nahen Osten betreibt und nahezu den gesamten Datenverkehr der Region ausspioniert. Dazu würden leistungsstarke Unterwasser-Glasfaserkabel, die den Nahen Osten an das Internet anbinden, angezapft.
Der «Independent» veröffentlichte nicht den genauen Standort des Spähpostens. Dennoch gilt die Information als hochsensibel. US-Whistleblower Snowden meldete sich umgehend aus dem russischen Asyl. Er habe niemals mit dem «Independent» zusammengearbeitet, teilte er mit.
Er beschuldigte die britische Regierung, die Information selbst gestreut zu haben, um den Medien Verantwortungslosigkeit vorwerfen zu können. «Die Regierung tut das, wofür sie jeden Privatmann einer kriminellen Handlung bezichtigen würde», heisst es in Snowdens Erklärung.
Druck auf Medien
Die Informationen über den Spähposten in Nahost sollen ein Hauptgrund dafür gewesen sein, warum Premierminister David Cameron Druck auf den «Guardian» hat anordnen und letztlich Festplatten im Keller der Zeitung zerstören lassen. Nach Angaben des «Guardian» existieren jedoch Sicherheitskopien.
Der Spähposten werde von der britischen Regierung als wichtiges Element im «Krieg gegen den Terror» und als Frühwarnsystem vor möglichen Anschlägen betrachtet. Er sei von besonderem Wert für den Westen, weil über die Unterseekabel grosse Datenmengen in die Region hinein und von dort heraus fliessen.
Kooperation mit «New York Times»
Der «Guardian» will bei der Auswertung des brisanten Materials von Snowden künftig mit der «New York Times» zusammenarbeiten. Man habe sich wegen des «immensen Drucks von Seiten der britischen Regierung» dazu entschieden, einen US-Partner ins Boot zu holen, erklärte der «Guardian» am Freitag auf seiner Internetseite.
Die «NYT» erhalte damit Zugang zu «sensiblen» Dokumenten Snowdens zum britischen Geheimdienst GCHQ. Aber auch der «Guardian» werde weiterhin darüber berichten. (awp/mc/upd/ps)