«Gute Nachrichten» für Ukraine im Osten

Wolodomir Selenskyj

Der ukrainische Präsident Wolodomir Selenskyj. (Official Website)

Kiew – Die ukrainische Armee scheint bei ihrem Gegenangriff gegen die russischen Invasoren im Osten des Landes Fortschritte zu machen. Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte in seiner Videoansprache vom Mittwoch, es gebe «gute Nachrichten aus der Region Charkiw». Aus Berichten russischer Kriegskorrespondenten ergibt sich, dass die ukrainische Armee seit Dienstag bei der Stadt Balaklija erfolgreich vorrückt und mehrere Ortschaften zurückerobert hat.

Am Donnerstag kommen Verteidigungsminister und ranghohe Militärs aus mehr als 50 Staaten, die das angegriffene Land unterstützen, erneut auf dem US-Stützpunkt Ramstein in Deutschland zusammen, um über weitere Militärhilfen zu beraten. Für die Ukraine ist es der 197. Tag im Abwehrkampf gegen die russische Invasion.

Ukrainischer Gegenangriff bei Balaklija im Osten
Trotz der Freude über das Vorrücken seiner Armee hielt sich Selenskyj bedeckt: «Jetzt ist nicht die Zeit, diese oder jene Siedlung zu nennen, in die die ukrainische Flagge zurückkehrt.» Offiziell wird das Geschehen wegen einer Informationssperre nicht näher kommentiert. In sozialen Netzwerken häufen sich aber Videos und Fotos aus zurückeroberten Dörfern rund um Balaklija. Nach russischen Korrespondentenberichten greift die ukrainische Armee dort auf 20 bis 30 Kilometern Breite an. Diesen Quellen zufolge stehen die russischen Einheiten erheblich unter Druck, einige Truppenteile seien von Einschliessung bedroht.

Geländegewinne gab es offenbar auch im Süden im Gebiet Cherson. Der Generalstabsbericht aus Kiew vom Mittwoch nannte russische Luft- und Artillerieangriffe auf mehrere Ortschaften, die vorher noch als russisch kontrolliert galten. «Jeder Erfolg unseres Militärs in die eine oder andere Richtung verändert die Situation entlang der gesamten Front zugunsten der Ukraine», sagte Selenskyj.

Vermutlich unter dem Eindruck dieser Offensive will die russische Militärverwaltung Volksabstimmungen über den Beitritt der besetzten südukrainischen Gebiete zu Russland auf den 4. November verschieben. Zuvor galt ein Termin in der ersten Septemberhälfte als Wunschdatum.

Kiew bekennt sich zu Raketenbeschuss auf die Krim
Nach einem Monat Versteckspiel lüftete Kiew das Geheimnis der Explosionen auf dem Gelände russischer Militäranlagen auf der annektierten Halbinsel Krim. «Es geht um eine Serie von erfolgreichen Raketenschlägen auf die Luftwaffenbasen auf der Krim, vor allem um den Flugplatz Saki», schrieb Oberbefehlshaber Waleryj Saluschnyj in einem Artikel für die staatliche Nachrichtenagentur Ukrinform.

Welche Raketen dabei zum Einsatz kamen, sagte er nicht. Seinen Angaben nach wollen die ukrainischen Streitkräfte, deren Abwehrkampf sich bis ins nächste Jahr erstrecken dürfte, solche Angriffe künftig ausweiten, benötigen dafür aber neue Waffen von westlichen Partnern. Saluschnyj nannte Raketen mit bis zu 300 Kilometern Reichweite für die US-amerikanischen Himars-Raketenwerfer. Auch um diese Frage soll es am Donnerstag in Ramstein gehen.

Aus dem Baltenstaat Litauen erhält die Ukraine Haubitzen als weitere Militärhilfe. Dabei handele es sich um 105-mm-Geschütze aus Reservebeständen der Armee des Nato-Landes, schrieb Verteidigungsminister Arvydas Anusauskas auf Facebook.

Sanktionen gegen mehr als 600 Russen
Als politische Drohgebärde in Richtung Moskau verhängte die Ukraine Sanktionen gegen 606 Mitglieder der russischen Führung. «Sie tragen Verantwortung für den Krieg Russlands gegen die Ukraine», sagte Selenskyj. Von 32 Mitgliedern des russischen Sicherheitsrates unter Vorsitz von Präsident Wladimir Putin wurden 28 auf die ukrainische Strafliste gesetzt. Von 450 Abgeordneten der russischen Staatsduma sind es 424, von 170 Senatoren im Föderationsrat 154.

Selenskyj sagte nicht, wer jeweils ausgenommen worden sei. Er nannte auch keine Details zu den Sanktionen. Die Ukraine habe angefangen, die Strafen juristisch, politisch und diplomatisch durchzusetzen.

Streit wegen Getreideexporten über das Schwarze Meer
Der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba wies russische Vorwürfe zurück, wonach das aus den ukrainischen Häfen ausgeführte Getreide nicht wie ursprünglich zugesichert an ärmere Länder gehe, sondern vor allem nach Europa. Zwei Drittel des auf dem Seeweg über das Schwarze Meer exportierten Getreides seien für Asien, Afrika und den Nahen Osten bestimmt, sagte Kuleba. Er rief die Weltgemeinschaft auf, Druck auf Moskau auszuüben, damit die Exporte weiterlaufen.

Kremlchef Putin beklagte am Mittwoch, Russland sei im Nachgang der Vereinbarung über Exporte «einfach nur grob abgezockt worden». Während Russland die Ausfuhr von ukrainischem Getreide ermöglicht habe, gebe es weiter Hindernisse für russische Exporte. Putin drohte damit, die Vereinbarung von Ende Juli platzen zu lassen. Dabei hatte sein Befehl zum Angriff auf die Ukraine die Lebensmittelkrise in Teilen Afrikas und des arabischen Raums überhaupt erst ausgelöst. Nach monatelanger Blockade ihrer Häfen durch die russische Marine kann die Ukraine – vor Kriegsbeginn einer der wichtigsten Getreidelieferanten – seit Anfang August wieder Getreide auf die Weltmärkte bringen. (awp/mc/ps)

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