Berlin/Hamburg – Ein geplanter chinesischer Einstieg bei einem Containerterminal im Hamburger Hafen wird zu einer Belastungsprobe für die Bundesregierung. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warnte am Freitag mit Blick auf Russland vor neuen Abhängigkeiten, ebenso FDP-Politiker. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte nach dem EU-Gipfel in Brüssel, es sei noch gar nichts entschieden. «Es sind noch viele Fragen zu klären.»
Scholz wies darauf hin, dass es nicht um einen Verkauf des Hafens gehe. Es gehe um eine Beteiligung an einem Terminal, so wie das in einigen westeuropäischen Häfen der Fall sei. Scholz war früher Hamburger Bürgermeister.
«Fehler nicht wiederholen»
Habeck sagte am Rande der Ministerpräsidentenkonferenz in Hannover, die Frage, ob ein Teilverkauf genehmigungsfähig sei, sei «regierungsinternes Handeln», das er nicht kommentieren wolle. Er fügte aber hinzu, man habe gelernt, «dass Abhängigkeiten von Ländern, die dann möglicherweise ihre eigenen Interessen in diese Abhängigkeiten hineinspielen, also uns dann erpressen wollen, nicht mehr nur ein abstraktes Phänomen sind, sondern – Gas/Russland – Realität in dieser Welt sind». Habeck betonte: «Wir sollten diese Fehler nicht wiederholen.»
Cosco will sich zu 35% am HHLA-Terminal Tollerort beteiligen
Hintergrund des Streits ist eine 2021 geschlossene Vereinbarung zwischen dem Hamburger Hafenlogistiker HHLA und dem chinesischen Terminalbetreiber Cosco Shipping Ports Limited über eine 35-prozentige Beteiligung der Chinesen am HHLA-Terminal Tollerort in der Hansestadt. Die Aussenwirtschaftsverordnung erlaubt es dem Wirtschaftsministerium, unter bestimmten Umständen nach einer Prüfung den Einstieg eines Investors aus einem Nicht-EU-Staat bei einem deutschen Unternehmen zu untersagen, das etwa kritische Infrastruktur betreibt.
Laut NDR und WDR lehnen neben dem Wirtschaftsministerium auch andere Ministerien einen chinesischen Einstieg ab. Das Kanzleramt habe das Prüfverfahren allerdings bisher nicht auf die Tagesordnung des Kabinetts genommen – sondern die Fachressorts beauftragt, nach einem Kompromiss zu suchen, damit das Geschäft doch genehmigt werden könne.
Schneller Entscheid
Eine Entscheidung innerhalb der Bundesregierung zu dem China-Geschäft könnte es bald geben. Wenn das Bundeskabinett keinen Beschluss fasse und keine Fristverlängerung vereinbart werde, würde nach Medienberichten das Geschäft automatisch zustande kommen. Das wäre nach aktuellem Stand Ende Oktober der Fall. Als möglich gilt auch, dass es für den chinesischen Einstieg strenge Auflagen gibt.
Hafen-Beteiligungen als wichtiger Teil der «neuen Seidenstrasse»
Für China, die grösste Handelsnation der Welt, sind die Beteiligungen an Häfen ein wichtiger Teil seiner Infrastruktur-Initiative der «Neuen Seidenstrasse» (Belt and Road, BRI). Dieses 2013 von Staats- und Parteichef Xi Jinping gestartete gigantische Projekt mit Milliarden-Investitionen soll nicht nur Handelskorridore über Land schaffen, sondern auch über See – also eine «maritime Seidenstrasse» (MSR) mit Beteiligungen an einer Reihe wichtiger Häfen entlang der Schiffsrouten für den Handel von und nach China.
Nach offiziell unbestätigten Medienberichten gibt es weltweit chinesische Investitionen in rund 100 Häfen in rund 60 Ländern. Vor allem die staatlichen Unternehmen Cosco (China Ocean Shipping Company) und China Merchants Group sowie die private Hongkonger CK Hutchinson mit engen Beziehungen zu China sind dabei aktiv. In China selbst gibt es sieben der weltweit zehn wichtigsten Häfen.
Chinesische Beteiligungen an rund einem Dutzend europäischen Häfen
Die Kontrolle über Häfen zählt aus Sicht von Militärstrategen seit jeher zu den wichtigsten Säulen einer Seemacht. In Europa halten chinesische Unternehmen Beteiligungen an rund einem Dutzend Häfen, darunter Le Havre und Dünkirchen in Frankreich, Antwerpen und Brügge in Belgien sowie in Spanien, Italien, der Türkei und Griechenland. Der Hamburger Hafen steht in Konkurrenz zu Häfen wie Rotterdam und Antwerpen.
Globaler Führungsanspruch
Die deutschen Geheimdienste sind überzeugt, dass die Führung in Peking auch Spionage und Cyberaktivitäten nutzt, um langfristig ihren globalen Führungsanspruch durchzusetzen. Der Verfassungsschutz warnt nach Angaben seines Präsidenten Thomas Haldenwang schon seit geraumer Zeit, «dass wir uns nicht in Abhängigkeit begeben dürfen».
Bei einem chinesischen Einstieg in Unternehmen, die der sogenannten kritischen Infrastruktur zugerechnet werden – und dazu gehören auch Häfen – müsse auch bedacht werden, ob sich dort womöglich Möglichkeiten für «Sabotage» eröffnen, sagte er am vergangenen Montag in einer Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags. Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, sagte, er wolle sich nicht in die Hamburger Innenpolitik einmischen. Er forderte aber, Investitionen in wichtige Infrastruktur-Projekte sehr sorgfältig zu prüfen. «Ich glaube, dass wir auch gefasst sein müssen darauf, dass technische Möglichkeiten oder auch wirtschaftliche Hebel genutzt werden, um chinesische Vorstellungen durchzusetzen.»
Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) schrieb auf Twitter, es stimme nicht, dass es sich um einen #ChinaSellOut» (Ausverkauf an China) handle. «Da sollten die vielen selbst ernannten Hafen-Experten quer durch die Republik mal bei den Fakten bleiben», forderte Dressel und verwies auf eine Erklärung des städtischen Hafenlogistikers HHLA.
Darin hatte dieser betont, dass Cosco durch die geplante Beteiligung am Terminal keinen Zugriff auf den Hamburger Hafen oder die HHLA und auch nicht auf strategisches Know-how erlange. Zudem bekomme Cosco an dem Terminal auch keine exklusiven Rechte. Insofern würden durch die Beteiligung auch keine einseitigen Abhängigkeiten geschaffen, sagte ein HHLA-Sprecher. «Im Gegenteil: Sie stärkt die Lieferketten, sichert Arbeitsplätze und fördert Wertschöpfung in Deutschland.» (awp/mc/pg)