G20-Gipfel: Trump auf Konfrontationskurs zu Putin
Buenos Aires – Ukraine-Krise, Handelskrieg, Khashoggi-Affäre und Klimaschutz: Beim G20-Gipfel in Buenos Aires gibt es ab Freitag so viel Zündstoff wie schon lange nicht mehr. Wegen der Eskalation zwischen der Ukraine und Russland sagte US-Präsident Donald Trump ein Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kurzerhand ab. Er begründete den Schritt damit, dass die von Russland festgenommenen ukrainischen Seeleute bisher nicht freigelassen und ihre Schiffe nicht zurückgegeben worden seien.
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 29. November 2018
….in Argentina with President Vladimir Putin. I look forward to a meaningful Summit again as soon as this situation is resolved!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 29. November 2018
Wie gehen die Staats- und Regierungschefs mit MBS um?
Spannend wird ihr Umgang mit dem saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman, der am Mittwoch als erster eingetroffen war. Wegen der Tötung des regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul steht der Kronprinz weltweit in der Kritik. Ihm wird vorgeworfen, den Mord in Auftrag gegeben oder zumindest davon gewusst zu haben. Während ihm Kanzlerin aus dem Weg gehen wird, will sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit dem Kronprinz treffen. Trump sagte, er habe nicht genug Zeit für ein Treffen mit Salman.
Zehntausende Demonstranten wollen zum Auftakt des zweitägigen Gipfels am Freitag gegen die Wirtschaftskrise in Argentinien und die Staatsführer protestieren, die aus ihrer Sicht nicht genug gegen soziale Ungerechtigkeit in der Welt tun. Ein massives Aufgebot von 25 000 Sicherheitskräften schützt die Staats- und Regierungschefs.
Abschlusserklärung noch nicht gesichert
Diesmal sei es wegen der Differenzen in Handels- oder Klimafragen besonders schwierig, eine gemeinsame Abschlusserklärung zu finden, hiess es aus deutschen Regierungskreisen. Die Unterhändler haben schon zwei Nächte durchverhandelt. Es wäre beispiellos in der Geschichte der G20, wenn es keine Einigung auf ein Communiqué gäbe.
Trumps Handelskrieg mit China als grösste Gefahr für die Weltwirtschaft
Die grösste Gefahr für die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte ist der Handelskrieg, den Trump mit China angezettelt hat. Vor seinem «Showdown» mit Staats- und Parteichef Xi Jinping am Samstagabend in Buenos Aires erhöhte Trump den Druck. «Ich denke, dass wir sehr nahe dran sind, etwas mit China zu tun, aber ich weiss nicht, ob es das ist, was ich tun möchte», sagte Trump vor der Abreise. Derzeit flössen Milliarden Dollar an Strafzöllen in die Staatskasse.
Trump wirft China unfaire Handelspraktiken, mangelnden Marktzugang, zwangsweisen Technologietransfer und Produktpiraterie vor. Bietet China nicht ausreichende Konzessionen, droht Trump mit einer Erhöhung der Zölle und einer Ausweitung auf alle Einfuhren aus China im Wert von mehr als 500 Milliarden US-Dollar. «Es ist unmöglich zu sagen, ob es beim G20-Gipfel einen Waffenstillstand oder einen Durchbruch gibt», sagte ein Beamter des Pekinger Aussenministeriums. «Es kann in zwei Stunden gelöst werden – oder in zehn Tagen Verhandlungen nicht.»
Die EU befürchtet, dass Trump bald Strafzölle gegen Autobauer aus Europa verhängen könnte, die Deutschland besonders treffen würde. Es wurde erwartet, dass die Kanzlerin in ihrem Gespräch mit Trump am Freitag versucht, solche Sonderabgaben abzuwenden. Der Präsident des Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer forderte, «die Weichen wieder in die richtige Richtung zu stellen» – insbesondere hoffe man auf eine konstruktivere Rolle der USA.
Merkel will mit Putin über Ukraine sprechen
Vor allem die Eskalation zwischen der Ukraine und Russland dominiert den Gipfel. Die Kanzlerin will am Samstag mit Putin über den Konflikt sprechen. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko setzt auf ihre Hilfe. Eine Lösung des Konflikts werde es nur im Gespräch geben, sagte Merkel in Berlin. «Es gibt keine militärische Lösung.» Die Ukraine mahnte sie, «klug zu sein».
Am Sonntag hatte die russische Küstenwache Patrouillenboote der ukrainischen Marine die Durchfahrt in der Meerenge von Kertsch verweigert. Die Gewässer sind seit der Annektierung der Krim durch Russland zwischen beiden Staaten umstritten. Die ukrainischen Schiffe wurden in russische Gewalt genommen. Es fielen Schüsse. 24 Matrosen wurden festgesetzt. Die ukrainische Regierung forderte die G20 auf, Putin zum Einlenken zu bewegen. «Das Ergebnis des Gipfels muss mindestens die Freilassung der 24 Soldaten sein», sagte Vize-Informationsministerin Emine Dzhaparova.
Merkel reist verspätet an
Der US-Präsident traf am Donnerstagabend in Buenos Aires ein, während Putin am Freitagmorgen erwartet wird. Mit Verspätung wird die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in Buenos Aires eintreffen. Wegen eines grösseren technischen Defekts an ihrem Regierungsflugzeug musste die Kanzlerin einen ungewollten nächtlichen Zwischenstopp in Köln einlegen müssen. «Es war eine ernsthafte Störung», sagte Merkel am frühen Freitagmorgen in Bonn, wo sie nach dem Abbruch der Reise zum G20-Gipfel in Buenos Aires die Nacht verbrachte. Nach Informationen des «Spiegels» war an Bord der Maschine mit dem Namen «Konrad Adenauer» das komplette System zur Kommunikation mit dem Boden ausgefallen.
Für Merkel soll es nun am Freitagmorgen mit einem Linienflug von Madrid weiter nach Argentinien gehen.
Grosse Sicherheitsvorkehrungen
Die Sicherheitsvorkehrungen sind massiv. Die Sorge vor dramatischen Bildern wie beim G20-Gipfel in Hamburg ist gross. Ganze Strassenzüge im Zentrum wurden abgeriegelt. Die Regierung des liberalen Präsidenten Mauricio Macri steht ohnehin schon unter Druck, weil das Land in eine tiefe Krise mit hoher Inflation gerutscht ist.
Der G20 gehören die Europäische Union und 19 führende Wirtschaftsnationen an: Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, die Türkei und die USA. Die «Gruppe der 20» aus 19 Ländern und der Europäischen Union repräsentiert zwei Drittel der Weltbevölkerung und 85 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Seit der globalen Finanzkrise 2008 tagen sie auch auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs. (awp/mc/pg)