Heftige Kämpfe in der Ukraine

Heftige Kämpfe in der Ukraine

Kiew – Drei Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wird die Verständigung auf weitere Sanktionen des Westens gegen Moskau immer schwieriger. Am Donnerstag erreichte Ungarn mit einer zeitweisen Blockade des nächsten EU-Sanktionspakets, dass keine Strafmassnahmen gegen das russisch-orthodoxe Kirchenoberhaupt Patriarch Kirill eingeführt werden.

Die Vertreter der EU-Staaten einigten sich aber auf die weiteren Teile des Sanktionspakets, darunter ein weitgehendes Embargo gegen Öl-Lieferungen aus Russland. Die US-Regierung verhängte weitere Sanktionen gegen russische Oligarchen und Regierungsbeamte, darunter der Milliardär Alexej Mordaschow und die Sprecherin des russischen Aussenministeriums, Maria Sacharowa.

Am Freitag ist Tag 100 seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine. Aus dem Osten der Ukraine wurden weiter heftige Kämpfe gemeldet. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte erneut eine lange militärische Auseinandersetzung voraus. Russische Truppen halten nach Worten des ukrainischen Staatschefs Wolodymyr Selenskyj inzwischen ein Fünftel seines Landes besetzt.

Keine EU-Sanktionen gegen Patriarch Kirill
Der russisch-orthodoxe Patriarch Kirill sollte nach dem Willen der EU-Staaten mit Ausnahme Ungarns wegen seiner Unterstützung für den russischen Angriffskrieg auf die Sanktionsliste. Er pflegt engen Kontakt zu Präsident Wladimir Putin und zeigte sich bislang sehr kremltreu. Der 75-Jährige stellte sich in seinen Predigten immer wieder hinter den Kriegskurs und behauptete zuletzt sogar, dass Russland noch nie ein anderes Land angegriffen habe.

Wichtigster Teil des mittlerweile sechsten Sanktionspakets ist ein Embargo gegen den Import russischen Öls. Es wurde am Donnerstag von Vertretern der EU-Staaten ohne die eigentlich geplante Strafmassnahme gegen Kirill gebilligt, wie mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur bestätigten.

Der wirtschaftlich besonders relevante Boykott gegen Öl-Lieferungen aus Russland sieht vor, im kommenden Jahr auf dem Seeweg kein Öl mehr in die EU zu lassen. Lediglich Ungarn, die Slowakei und Tschechien sollen wegen ihrer grossen Abhängigkeit noch bis auf Weiteres russisches Öl über die Druschbba-Pipeline importieren dürfen.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zufolge wird die EU trotz der Ausnahme für Pipeline-Lieferungen bis Ende des Jahres rund 90 Prozent weniger Öl aus Russland beziehen.

Anhaltende Kämpfe um Sjewjerodonezk
Die Kämpfe um das Verwaltungszentrum Sjewjerodonezk im Osten der Ukraine dauern nach Angaben aus Kiew an. Wie viele Bezirke der einstigen Grossstadt die Ukrainer noch halten, ist unklar. Schon am Mittwoch hatten die Russen das Stadtzentrum eingenommen. Auch nach britischer Einschätzung rücken russische Truppen weiter vor und haben inzwischen den Grossteil von Sjewjerodonezk eingenommen. Allerdings hätten sie erhebliche Verluste erlitten, hiess es unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse.

Das ukrainische Militär will Sjewjerodonezk nicht aufgeben. «Die Lage ist schwierig, aber sie ist besser als gestern. Und sie ist unter Kontrolle», sagte der stellvertretende Generalstabschef Olexij Hromow am Donnerstag vor Journalisten in der Hauptstadt Kiew.

Selenskyj: 20 Prozent der Ukraine von russischen Truppen besetzt
Die Ukraine sieht im Zuge des Angriffskriegs inzwischen ein Fünftel ihres Staatsgebiets von russischen Truppen besetzt. «Stand heute sind 20 Prozent von unserem Gebiet unter Kontrolle der Besatzer», sagte Selenskyj nach Angaben der Präsidialverwaltung in Kiew bei einer Video-Schalte vor dem luxemburgischen Parlament. Fast 125 000 Quadratkilometer seien der ukrainischen Kontrolle entrissen.

Er betonte, sein Land werde den Kampf gegen die Eindringlinge nicht aufgeben. «Wir haben sie gestoppt und teils zurückgedrängt, die Armee der Invasoren, die einst als zweitstärkste der Welt galt.»

Ukrainischer Parlamentspräsident fordert deutsche Kampfpanzer
Der ukrainische Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk forderte bei einem Besuch in Berlin die Lieferung deutscher Leopard- und Marder-Panzer. «Natürlich brauchen wir vor allem moderne Waffen. Wir können auch mit alten Waffen aus alten Beständen kämpfen und standhalten, aber die neueren Waffen sind effizienter», sagte er am Donnerstag nach einem Treffen mit Bundestagsabgeordneten laut offizieller Übersetzung. «Deshalb erwarten wir sowohl die Marder als auch die Leoparden.»

Stefantschuk begrüsste zwar, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch im Bundestag die Lieferung weiterer schwerer Waffen in die Ukraine angekündigt hat. Er betonte aber, dass diese nun schnell geliefert werden müssten.

Kreml sieht noch keine Basis für Beitrittsreferendum in Südukraine
Kurzfristig wird es nach Angaben aus dem Kreml in den besetzten Gebieten der Südukraine kein Referendum zum Anschluss an Russland geben. «Wenn die Sicherheit nicht völlig gewährleistet ist – und wir sehen die andauernden Schläge der ukrainischen Militärs und Nationalisten auf zivile Ziele in diesen Gebieten – ist es natürlich kaum möglich, davon (von der Abhaltung eines Referendums – Red.) zu sprechen», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag. Damit widersprach er Forderungen der prorussischen Verwaltung in den Gebieten Cherson und Saporischschja sowie einigen Moskauer Politikern nach einem schnellen Anschluss der Region an Russland. (awp/mc/pg)

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