Helfer machtlos angesichts humanitärer Katastrophe in Gaza
Gaza / Tel Aviv – Hilfsorganisationen fühlen sich angesichts des Leidens der Zivilbevölkerung im Gazastreifen inzwischen machtlos. Eine sichere Lieferung von Gütern ist nach Einschätzung von Save the Children angesichts der intensiven Kämpfe zwischen der islamistischen Hamas und Israel zurzeit nicht möglich. «Humanitäre Organisationen können der Bevölkerung des Gazastreifens und den Kindern in der derzeitigen Situation nicht helfen», sagte die Präsidentin von Save The Children, Janti Soeripto, in der TV-Sendung «Face the Nation» des Senders CBS.
Sie sprach von einer «unglaubliche humanitäre Katastrophe». Eine Delegation des UN-Sicherheitsrats besuchte unterdessen am Montag Ägypten, um sich ein Bild vom Ablauf der Hilfslieferungen über den einzigen nach Gaza offenen Grenzübergang Rafah zu machen. Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borell warf Israel vor, Aufrufe von Partnern wie der Europäischen Union zu ignorieren.
Verdrecktes Wasser, kein Essen, kein Strom
Die Kinder, die noch am Leben seien, würden aus Mangel an Trinkwasser verdrecktes Wasser trinken, so Soeripto. Mit Beginn des Winters und starker Regenfälle spülten Abwässer auf die Strassen. «Es gibt kein Essen, keinen Strom, und die meisten Krankenhäuser funktionieren nicht mehr», so Soeripto. «Es ist im Grunde unaussprechlich, was sich vor unseren Augen abspielt».
Laut Vereinten Nationen hungert inzwischen die Hälfte der Bevölkerung im Gazastreifen. Vor Beginn des seit mehr als zwei Monaten dauernden Krieges lebten in dem von Israel abgeriegelten Gebiet, das nur etwas grösser als München ist, rund zwei Millionen Menschen. Davon waren rund die Hälfte Kinder und Jugendliche.
Hunderttausende Palästinenser waren nach Anweisungen des israelischen Militärs aus dem umkämpften Norden in den Süden geflohen, wo es nun auch Kämpfe gibt. Nach Angaben des Palästinenserhilfswerkes UNRWA sind fast 1,9 Millionen Menschen auf der Flucht – mehr als 80 Prozent der Bevölkerung.
Auslöser des Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zum Gazastreifen verübt hatten. Mehr als 1200 Menschen wurden dabei getötet. Zudem wurden 240 Menschen in den Gazastreifen verschleppt, von denen ein Teil während einer vorübergehenden Feuerpause freigekommen ist.
Israel hatte auf den Terrorüberfall mit massiven Luftangriffen und eine Bodenoffensive im Gazastreifen reagiert. Dabei wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde inzwischen rund 18 000 Menschen getötet und mehr als 49 200 verletzt.
Delegation des UN-Sicherheitsrats besucht Grenzregion
Die Delegation des UN-Sicherheitsrats wolle bei einem Besuch in der Grenzregion auch die «von der israelischen Seite auferlegten Hürden» identifizieren, die es bei der Einreise von Lkw mit Hilfsgütern und der Ausreise von verletzten Palästinensern zur Behandlung in ägyptischen Krankenhäusern gebe, sagte ein Sprecher des ägyptischen Aussenministerium
Im UN-Sicherheitsrat war kürzlich ein Resolutionsentwurf für eine sofortige humanitäre Feuerpause im Gaza-Krieg gescheitert. Die USA als wichtigster Verbündeter Israels hatten den Aufruf mit einem Veto blockiert.
EU-Chefdiplomat wirft Israel Ignorieren von Aufrufen vor
Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell bezeichnete das Veto der USA als bedauerlich. Er warf Israel zudem vor, Aufrufe von Partnern wie der Europäischen Union zu ignorieren. «Wir haben unter anderem bei den G7-Treffen gesagt, dass Israel im Süden von Gaza nicht die gleiche Taktik anwenden sollte, die es im Norden angewendet hat», sagte er am Rande eines EU-Aussenministertreffens in Brüssel. Die Bombardierung gehe aber mit ausserordentlicher Intensität weiter.
Klima-Organisationen: Israel will Palästinenser «eliminieren»
Ein Netzwerk von Umweltorganisationen kritisierte bei der UN-Klimakonferenz in Dubai das Vorgehen Israels mit drastischen Worten. «Das Handeln Israels zielt darauf ab, das palästinensische Volk durch den sich entfaltenden Völkermord und ethnische Säuberung zu eliminieren», erklärte das Climate Action Network. Ihm gehören nach eigenen Angaben mehr als 1900 zivilgesellschaftliche Organisationen in mehr als 130 Staaten und auf internationaler Ebene an – darunter Greenpeace, Oxfam und Germanwatch.
Die islamistische Hamas, die den Krieg mit einem Überfall auf Israel am 7. Oktober ausgelöst hatte, wird in der Mitteilung nicht erwähnt.
Israels Armee wirft Ausrüstung für Soldaten über Gaza ab
Israels Armee warf in den vergangenen Tagen nach eigenen Angaben mehrere Tonnen Ausrüstung für Soldaten über dem Gazastreifen ab. Darunter seien etwa sieben Tonnen Wasser für die Einsatzkräfte im südlichen Teil des Küstengebiets gewesen, teilte das Militär mit. Es sei der erste Abwurf aus der Luft seit dem zweiten Libanonkrieg 2006 gewesen.
Generalstreik in Jordanien, Libanon und Westjordanland
Aus Protest gegen den Gaza-Krieg blieben in Jordanien, dem Libanon und im palästinensischen Westjordanland am Montag viele Geschäfte und öffentliche Einrichtungen geschlossen. In Jordaniens Hauptstadt Amman und anderen Städten waren die Strassen laut Berichten menschenleer. Im Libanon blieben Einrichtungen der Regierung und Schulen geschlossen. In Mauretanien in Nordwestafrika wurden alle geplanten Prüfungen und Unterrichtsstunden abgesagt, um Schülern die Teilnahme an «Aktivitäten zur Unterstützung Gazas» zu ermöglichen.
Raketenbeschuss aus Gaza auf Israel – Ein Verletzter
Die islamistische Hamas feuerte erneut Raketen aus dem Gazastreifen auf israelische Ortschaften ab. Im Grenzgebiet sowie dem Grossraum Tel Aviv heulten mehrfach die Warnsirenen. In Holon südlich der Küstenstadt wurde Sanitätern zufolge ein 45-Jähriger durch Raketensplitter verletzt. Der bewaffnete Arm der Hamas, die Kassam-Brigaden, bekannte sich zu den Angriffen.
Neuer Beschuss an der Grenze zwischen Libanon und Israel
Auch an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon kam es erneut zu gegenseitigem Beschuss. Nach dem Abschuss mehrerer Raketen auf Israel seien Ziele im Libanon angegriffen worden, teilte die israelische Armee mit. Den Angaben nach fing Israels Raketenabwehrsystem sechs Geschosse aus dem Libanon ab. (awp/mc/pg)