Historisches Urteil: Geschworene sprechen Trump schuldig

Donald Trump während des Schweigegeld-Prozesses im Mai 2024 in New York.

New York – Im historischen Prozess um die Verschleierung von Schweigegeld-Zahlungen an eine Pornodarstellerin haben die Geschworenen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump in allen Punkten schuldig gesprochen. Das teilte die Jury am Donnerstag in New York mit. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten, dass ein Ex-Präsident wegen einer Straftat verurteilt worden ist. Trump, der am Nachmittag im Gerichtssaal gelassen gewirkt hatte, nahm das Urteil äusserlich ungerührt und mit versteinerter Miene hin. Vor dem Gerichtssaal bezeichnete er die Entscheidung in einer kurzen Stellungnahme als «Schande» und sagte: «Ich bin ein sehr unschuldiger Mann.» Sein Anwalt kündigte an, Berufung gegen das Urteil einzulegen.

Richter Juan Merchan legte den 11. Juli als Datum für die Verkündung des Strafmasses fest. Wenige Tage später beginnt der Nominierungsparteitag der Republikaner in Milwaukee. Dann dürfte Trump, der nach der Präsidentenwahl im November wieder ins Weisse Haus einziehen will, offiziell von seiner Partei zum Präsidentschaftskandidaten gekürt werden. Ihm droht nach dem Schuldspruch in New York eine Geldstrafe oder eine mehrjährige Freiheitsstrafe, die auch zur Bewährung ausgesetzt werden könnte. Doch auch nach einer rechtskräftigen Verurteilung könnte der Republikaner bei der Präsidentenwahl antreten. Das würde selbst im sehr unwahrscheinlichen Fall gelten, dass er dann schon eine Haftstrafe im Gefängnis absitzt.

Die Staatsanwaltschaft warf Trump vor, er habe seine Aussichten auf einen Erfolg bei der Präsidentschaftswahl 2016 durch die Zahlung von 130 000 Dollar Schweigegeld an die Pornodarstellerin Stormy Daniels verbessern wollen und den Geldfluss anschliessend unrechtmässig verbucht. Dazu hatten die sieben Männer und fünf Frauen der Jury seit Mitte April die Aussagen von mehr als 20 Zeuginnen und Zeugen angehört – die Beratungen der Geschworenen liefen seit Mittwoch.

Obwohl die – von keiner Seite bestrittene – Zahlung selbst nicht illegal war, soll der heute 77-Jährige bei der Erstattung des Betrags an seinen damaligen persönlichen Anwalt Michael Cohen Unterlagen manipuliert haben, um den wahren Grund der Transaktion zu verschleiern. Dadurch habe er sich der illegalen Wahlkampf-Finanzierung in 34 Fällen schuldig gemacht. Trumps Anwälte hatten argumentiert, es habe sich um gewöhnliche Anwaltshonorare gehandelt.

Prominente Republikaner und glühende Anhänger Trumps reagierten empört auf den Schuldspruch. «Heute ist ein beschämender Tag in der amerikanischen Geschichte», schrieb der republikanische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Mike Johnson, auf der Plattform X. Das Urteil sei «falsch» und «gefährlich».

Trump gibt sich kämpferisch
Trump wirkte am Donnerstag vor Gericht nach aussen hin so entspannt wie an kaum einem anderen der Verhandlungstage. Als er und alle anderen Prozessbeteiligten gegen 16.30 Uhr New Yorker Zeit schon davon ausgingen, dass die Jury-Beratungen sich in den Freitag ziehen würden, kam Richter Merchan in den Saal und verkündete, dass die Jury ein Urteil gefällt habe und nur noch das notwendige Formular ausfüllen müsse.

Schlagartig änderte sich die Stimmung im Gerichtssaal 1530. Trump, der gerade noch mit seinem Anwalt Blanche angeregt geplaudert und sogar geschmunzelt hatte, wurde still und starrte mit versteinerter Miene geradeaus. So nahm er dann auch das Urteil eine halbe Stunde später hin: Der Vorsitzende der Jury stand auf und bekam nacheinander alle Anklagepunkte vorgelesen. Seine Antwort 34 Mal in Folge: «Schuldig.»

Vor dem Gerichtssaal sprach Trump danach kurz in die Fernsehkameras. Das eigentliche Urteil werde am Tag der Präsidentenwahl fallen werde, sagte er – also am 5. November. Dann fuhr er mit einer schwarzen Wagenkolonne zum Trump-Tower in New York. Am Eingang des Prunkbaus reckte er demonstrativ die Faust in die Luft und winkte den Schaulustigen zu.

Biden nutzt Urteil für Werbung in eigener Sache
Das Urteil dürfte sich auch auf den gegenwärtigen Wahlkampf in den Vereinigten Staaten auswirken – die Frage dabei ist aber: wie stark und zu wessen Vorteil? Präsident Joe Biden, der im November wiedergewählt werden möchte, schrieb auf seinem privaten X-Account: «Es gibt nur einen Weg, Donald Trump aus dem Oval Office herauszuhalten: An den Wahlurnen.» Über sein Wahlkampfteam liess der Demokrat mitteilen, dass niemand über dem Gesetz stehe. «Die Bedrohung, die Trump für unsere Demokratie darstellt, war noch nie so gross wie heute.» Aus dem Weissen Haus hiess es lediglich, man respektiere das Rechtsstaatsprinzip und habe keinen weiteren Kommentar abzugeben.

Im eher liberal gesinnten New York versammelten sich nach der Urteilsverkündung Dutzende Schaulustige vor dem Gericht – einige von ihnen feierten das Urteil. So hielt eine Frau ein Schild mit der Aufschrift «Trump convicted» (deutsch: Trump verurteilt) in die Höhe und tanzte, auf dem Schild eines Mannes stand «guilty» (schuldig) auf dem eines anderen «Lock him up» (Sperrt ihn ein). Manche der Anwesenden lieferten sich hitzige Diskussionen mit Unterstützern Trumps. Auch zahlreiche Medienvertreter und ein Grossaufgebot der Polizei waren wieder vor Ort. Der Park gegenüber dem Gerichtsgebäude war seit Beginn des Prozesses als – von der Polizei explizit ausgewiesener und bewachter – Versammlungsort für Schaulustige und Demonstranten genutzt worden.

Prozess wie ein Sportereignis
Der Prozess fand unter beispiellosem medialem Interesse und strengsten Sicherheitsvorkehrungen in Downtown Manhattan statt. US-Medien begleiteten das Ereignis wie ein grosses Sportevent und zitierten im Minutentakt aus dem Gerichtssaal, in dem keine TV-Aufnahmen erlaubt waren. Dabei wurde auch jede Regung Trumps kommentiert, der bei den Sitzungen stets anwesend war und eigentlich nur die Farbe seiner Krawatte von Tag zu Tag variierte.

Für den kurzen Fototermin zu Beginn der Sitzung setzte Trump regelmässig ein grimmiges Gesicht auf. Einige Zeugen-Befragungen schien er interessiert zu verfolgen, an anderen Tagen waren sich US-Medien sicher, dass er die Augen über längere Zeit geschlossen hielt, weil er eingedöst war. Trump nutzte den Prozess und den Medienauflauf für den Wahlkampf und liess sich vor dem Gerichtssaal häufig wütend über das seiner Meinung nach politisch motivierte Verfahren aus. Zwar demonstrierten seine Anhänger in der republikanischen Partei Loyalität und einige reisten zum Prozess. Neben der Abwesenheit von Tochter Ivanka fiel aber vor allem auf, dass Ehefrau Melania Trump ihre öffentliche Unterstützung verweigerte. (awp/mc/ps)

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