Silvio Berlusconi, dreifacher italienischer Ministerpräsident.
Rom – Das höchste italienische Gericht entscheidet erst am Mittwoch oder Donnerstag über das Schicksal Silvio Berlusconis. Der Mediaset-Prozess wegen Steuerbetrugs gegen den früheren Regierungschef hat am Dienstag vor dem Kassationsgericht in Rom begonnen, das Urteil wurde aber vertagt. Das Gericht muss entscheiden, ob es die Strafe von vier Jahren Haft und ein fünfjähriges Verbot öffentlicher Ämter für Berlusconi bestätigt. Es wäre das erste rechtskräftige Urteil für den 76-Jährigen. Die Anhörung soll am Mittwoch fortgesetzt werden.
Staatsanwalt Antonello Mura forderte, die Haftstrafe für Berlusconi zu bestätigen und das Verbot öffentlicher Ämter auf drei Jahre zu reduzieren. Mura sagte, alle vier Angeklagten in dem Prozess hätten sich des Steuerbetrugs schuldig gemacht, Berlusconi sei jedoch die treibende Kraft in dem Betrugssystem gewesen.
Folgenreicher Schuldspruch
Die Richter könnten Berlusconi auch endgültig freisprechen oder den Fall an ein Berufungsgericht zurückverweisen. Berlusconis Anwalt Franco Coppi sicherte zu, keine weiteren Verzögerungen des Prozesses erreichen zu wollen. «Von unserer Seite aus gibt es keinen Antrag auf Verschiebung», sagte der Anwalt. Er kündigte zudem an, einen vollständigen Freispruch für seinen Mandanten erwirken zu wollen. Coppi kritisierte das Verbot öffentlicher Ämter für Berlusconi als «offenkundigen Fehler».
Ein Schuldspruch für Berlusconi könnte auch Folgen für die Regierung des Krisenlandes Italien haben. Berlusconis Partei Volk der Freiheit (PdL) ist der wichtigste Koalitionspartner der Demokratischen Partei von Regierungschef Enrico Letta. Bestätigt das Gericht das ebenfalls verhängte fünfjährige Verbot öffentlicher Ämter für Berlusconi, muss der Senat entscheiden, ob er dies annimmt.
Letztinstanzlicher Prozess
Die Staatsanwaltschaft betonte, sie lasse sich in dem Prozess nicht von der öffentlichen Stimmung und möglichen Folgen leiten. «Dieser Prozess ist voller Erwartungen, die Leidenschaften und Emotionen erzeugen, die sich in der freien Diskussion und dem demokratischen Leben zeigen, aber Erwartungen und Emotionen müssen aussen vor bleiben», sagte Mura.
Wird das Urteil bestätigt, wäre Berlusconi erstmals in letzter Instanz schuldig gesprochen. Er könnte die Entscheidung nicht erneut anfechten. In den ersten beiden Instanzen wurde er wegen Steuerbetrugs neben der Haftstrafe auch zum Ausschluss von öffentlichen Ämtern für fünf Jahre verurteilt.
Urteil in «Ruby»-Prozess noch nicht rechtskräftig
In einem anderen Verfahren hatten die Richter Ende Juni wegen Amtsmissbrauchs und Sex mit minderjährigen Prostituierten sieben Jahre Haft verhängt. Auch dieses Urteil im sogenannten «Ruby»-Prozess ist noch nicht rechtskräftig.
Im Verfahren um Berlusconis Mediaset-Konzern hatte ein Mailänder Gericht im Mai in zweiter Instanz dessen Verurteilung zu vier Jahren Haft wegen Steuerbetrugs bestätigt. Drei Jahre werden ihm allerdings unter Berufung auf ein Gesetz zur Strafermässigung von 2006 erlassen. Den Rest könnte der 76-Jährige nach Einschätzung von Experten unter Hausarrest verbüssen.
Die Richter in erster Instanz hatten Berlusconi dafür verurteilt, mit einem System «massivsten Steuerbetrugs» die Kosten für TV-Rechte um Hunderte Millionen Euro aufgebläht zu haben. Nachdem Mitte Juni Italiens Verfassungsgericht eine Beschwerde Berlusconis verworfen hatte, wurde der Weg zu einem endgültigen Urteil frei. (awp/mc/ps)