Tel Aviv / Gaza – Im Gaza-Krieg deutet sich nach der Freilassung Dutzender Geiseln aus der Gewalt der Terrororganisation Hamas eine Verlängerung der bis Dienstagmorgen befristeten Feuerpause an. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu signalisierte am Sonntagabend grundsätzlich Bereitschaft dazu. Und auch die Hamas strebt nach eigener Darstellung eine Verlängerung an, um im Austausch gegen Geiseln mehr palästinensische Häftlinge aus Israel zu bekommen.
Freilassung zehn weiterer Geiseln erwartet
An diesem Montag wird zunächst die Freilassung zehn weiterer Geiseln erwartet. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier setzt unterdessen seinen Besuch in Israel fort. Nach einem Besuch in einem Kibbuz und einem Gespräch mit Netanjahu will er eine Klinik in Ost-Jerusalem aufsuchen, wo palästinensische Patienten behandelt werden, die jetzt nicht zu ihren Angehörigen zurück können.
Elon Musk in Israel
Am selben Tag trifft Tech-Milliardär Elon Musk in Jerusalem Israels Präsidenten Izchak Herzog. Bei dem Termin seien auch Vertreter der Familien der Geiseln dabei, teilte das Büro Herzogs am Sonntagabend mit. Zudem wolle Herzog die Notwendigkeit betonen, «gegen zunehmenden Antisemitismus im Internet vorzugehen». Unklar war, ob Musk bei seinem Besuch in Israel auch Regierungschef Netanjahu treffen wird.
Hoffnung auf Verlängerung der Feuerpause
US-Präsident Joe Biden hofft derweil, dass die zunächst für vier Tage vereinbarte Feuerpause verlängert wird, «damit wir weiterhin mehr Geiseln befreien und mehr humanitäre Hilfe für die Bedürftigen in Gaza leisten können». Dafür werde er weiter mit Katar, Ägypten und Israel zusammenarbeiten, sagte Biden am Sonntag. Ähnlich äusserte sich Frankreichs Aussenministerin Catherine Colonna. Es wäre «gut, hilfreich und notwendig», die Waffenruhe zu verlängern, bis alle Geiseln frei seien, sagte Colonna am Sonntag dem Sender «BFM TV», wie andere französische Medien in der Nacht zum Montag berichteten.
Seit Freitag kamen bisher 58 Geiseln frei, darunter acht deutsche Doppelstaatsbürger. Im Gegenzug wurde am Sonntag erneut eine Gruppe von 39 palästinensischen Häftlingen aus israelischen Gefängnissen freigelassen, wie die israelische Gefängnisbehörde am Abend mitteilte. Palästinensischen Berichten zufolge handelte es sich um 39 männliche Jugendliche unter 19 Jahren. Damit wurden seit Freitag bisher insgesamt 177 palästinensische Häftlinge freigelassen.
Geisel schwebt in Lebensgefahr
Eine am Sonntag von der Hamas freigelassene Geisel schwebt Medien zufolge in Lebensgefahr. Die 84-jährige Frau sei in einem lebensbedrohlichen Zustand in eine Klinik gebracht worden, meldeten israelische Medien unter Berufung auf die Klinik in Beerscheba. Zum ersten Mal war am Sonntag mit einem vierjährigen Mädchen auch eine Geisel freigelassen worden, die die US-Staatsangehörigkeit besitzt.
Kleines Mädchen überlebte unter Leiche des Vaters
Das Schicksal der Kleinen bewegt seither viele Menschen. Am 7. Oktober, als Hamas-Terroristen ein beispielloses Massaker an israelischen Zivilisten anrichteten, musste das Mädchen mit ansehen, wie ihre Mutter erschossen wurde, wie US-Medien berichteten. Als ihr Vater sich schützend über seine Tochter legte, sei auch er erschossen worden. Die 10 und 6 Jahre alten Geschwister des Mädchens überlebten, weil sie sich im Schrank versteckten, bevor sie gerettet wurden.
Ihre kleine Schwester, die zunächst für tot gehalten worden sei, sei unter der Leiche ihres Vaters hervorgekrochen und zum Haus eines Nachbarn gerannt, zitierte die «Washington Post» eine Verwandte des Mädchens weiter. Die Terroristen griffen sich dort das Mädchen zusammen mit der fünfköpfigen Nachbarsfamilie und verschleppten sie mit vielen anderen in den Gazastreifen. Am vergangenen Freitag wurde das Mädchen in der Gefangenschaft vier Jahre alt. Nun kam sie frei.
Hofffung auf Freilassung weiterer Geiseln
Es gibt Hoffnung, dass jetzt noch mehr Geiseln freikommen. Das Abkommen sehe die Möglichkeit vor, die Kampfpause im Gegenzug für die Freilassung zehn weiterer Geiseln pro Tag zu verlängern, sagte Netanjahu am Sonntagabend nach einem Gespräch mit Biden. «Das wäre zu begrüssen.» Gleichzeitig habe er Biden gesagt, dass die Kämpfe nach der Feuerpause wieder aufgenommen würden. Nach Ende des Abkommens werde Israel seine Kriegsziele «mit voller Kraft verwirklichen».
Bundespräsident Steinmeier hatte am Vortag Israel die unverbrüchliche Unterstützung Deutschlands zugesagt. «Unsere Solidarität mit Israel gilt», sagte er in Jerusalem bei einer Pressekonferenz mit Israels Staatspräsidenten Herzog. «Sie gilt nicht nur mit dem Israel als Opfer des Terrors. Unsere Solidarität gilt auch mit dem Israel, das sich wehrt, das kämpft gegen eine existenzielle Bedrohung.» Steinmeier sagte dies mit Blick auf Kritik an Israels Kriegsführung in Gaza, die bereits Tausende zivile Opfer gekostet hat. Es sei nötig, die Zivilisten in Gaza zu schonen und sie mit dem Lebensnotwendigsten zu versorgen, sagte Steinmeier. «Das verlangt das humanitäre Völkerrecht.»
Was am Montag wichtig wird
Steinmeier will das Auguste-Viktoria-Krankenhaus in Ost-Jerusalem aufsuchen. In ihm werden fast 100 palästinensische Patienten behandelt. Der Bundespräsident will zeigen, dass er auch das Leid der palästinensischen Bevölkerung sieht. Es wird erwartet, dass am selben Tag zehn weitere Geiseln aus dem Gazastreifen freikommen. Tech-Milliardär Elon Musk trifft derweil in Jerusalem Israels Präsidenten Herzog. Zugleich laufen die Verhandlungen über eine Verlängerung der bis Dienstagmorgen befristeten Feuerpause weiter. (awp/mc/ps)