Hollande gestärkt – Mehrheit für französische Sozialisten
François Hollande.
Paris – Frankreichs Präsident François Hollande wird künftig als erster sozialistischer Staatschef mit Mehrheiten in beiden Kammern des Parlaments regieren können. Sechs Wochen nach seiner Wahl ging seine Parti Socialiste (PS) am Sonntag auch als grosse Siegerin aus dem zweiten Durchgang der Wahlen zur Nationalversammlung hervor. Nach letzten Hochrechnungen holte sie die absolute Mehrheit der Mandate in der ersten Parlamentskammer.
Im Senat, der zweiten Parlamentskammer, stellt die französische Linke bereits seit dem Vorjahr die Mehrheit. Hollande kann damit seine linken Reformpläne ungehindert durchsetzen. Dazu gehört unter anderem eine umfassende Steuerreform, bei der Spitzenverdiener und Finanzinstitute deutlich stärker belastet werden sollen. Im Ringen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) um den richtigen Weg aus der Euro-Krise wird Hollande ohne innenpolitische Kompromisse den französischen Kurs vorgeben können.
Im Gegensatz zur deutschen Regierungschefin hält der 57-Jährige auch schuldenfinanzierte Wachstumsprogramme für ein gutes Mittel im Kampf gegen Arbeitslosigkeit und Rezessionssorgen. Am Wahlsonntag wurde bekannt, dass er insgesamt rund 120 Milliarden Euro als Wachstumsspritze für Europas Wirtschaft fordert.
«Nichts wird einfach sein»
PS-Parteichefin Martine Aubry interpretierte den Wahlsieg am Abend als klaren Auftrag zum Bruch mit der Politik von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy. Premierminister Jean-Marc Ayrault warnte dagegen: «Nichts wird einfach sein.» Die Arbeitslosenquote in Frankreich stieg zuletzt auf den höchsten Stand seit Ende der 90er Jahre und liegt fast doppelt so hoch wie in Deutschland. Das Haushaltsdefizit lag 2011 über dem EU-Grenzwert von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Nach Hochrechnungen wird Hollandes PS mit direkten Verbündeten in der neuen Nationalversammlung auf 310 bis 322 Mandate kommen. Da die absolute Mehrheit bei 289 Sitzen liegt, wird die Schwesterpartei der deutschen SPD damit nicht einmal auf die Unterstützung der Grünen angewiesen sein. Diese wurden bei 20 Sitzen gesehen.
Royal und Lang verlieren Mandat
Ein Wermutstropfen für die PS war die Niederlage der ehemaligen Präsidentschaftskandidatin und Spitzenpolitikerin Ségolène Royal. Die 58-Jährige verlor in ihrem Wahlkreis gegen Partei-Dissident Olivier Falorni. Dieser war zum Entsetzen vieler Genossen ausgerechnet von Hollandes Lebensgefährtin Valérie Trierweiler öffentlich unterstützt worden. Royal nannte ihren Gegenkandidaten einen «Mann der Rechten» und sprach von «politischem Verrat». Auch ihr langjähriger Weggefährte und Ex-Kulturminister Jack Lang verlor sein Mandat.
Die Union für eine Volksbewegung (UMP) des am 6. Mai abgewählten Präsidenten Nicolas Sarkozy stürzte erdrutschartig ab und wechselt erstmals seit 2002 wieder auf die Oppositionsbank. Direkte Verbündete eingeschlossen verlor die konservative Partei mehr als 100 Abgeordnetensitze. Hochrechnungen sahen sie bei 221 bis 231 Sitzen. Der Zentrumspolitiker François Bayrou steht vor dem Aus.
FN wieder in Nationalversammlung
Die rechtsextreme Front National (FN) wird dagegen erstmals seit 1998 wieder im Parlament vertreten sein. Trotz eines zweistelligen Prozentergebnisses auf Landesebene lag sie am späten Abend aber nur bei drei Abgeordneten. Hintergrund ist das Mehrheitswahlrecht in Frankreich, das kleine Parteien ohne Bündnispartner stark benachteiligt.
FN-Parteichefin Marine Le Pen musste eine knappe Niederlage einstecken. Sie verlor in ihrem Wahlkreis mit 49,89 Prozent der Stimmen gegen den sozialistischen Gegenkandidaten (50,11 Prozent). Ihre 22 Jahre alte Nichte Marion Maréchal-Le Pen wird dagegen Frankreichs jüngste Parlamentarierin. Marine Le Pen würdigt den Einzug der FN in die Nationalversammlung als Erfolg. Das extrem linke Wahlbündnis Front de Gauche um Jean-Luc Mélenchon konnte mit dem Ergebnis hingegen nicht zufrieden sein. Es hätte sich Fraktionsstärke mit 15 Sitzen erhofft, wurde aber nur bei zehn Mandaten gesehen.
Hollande hat bereits eine Reform des Wahlrechts angekündigt, das für die grosse Wahlmüdigkeit mit verantwortlich gemacht wird. Die Beteiligung lag Hochrechnungen zufolge bei 56 Prozent und damit etwa 24 Prozentpunkte unter dem Wert der Präsidentenwahl am 6. Mai. Alle angetretenen Kabinettsmitglieder gewannen nach Angaben der PS ihre Wahlkreise – sie bleiben damit in der Regierung. (awp/mc/pg/upd/ps)