Frankreichs Staatspräsident François Hollande. (© Host Photo Agency/g20russia.ru)
Paris – Frankreichs Präsident François Hollande hat den Übernahmepoker um den heimischen Industriekonzern Alstom zur Chefsache gemacht. Der Staatschef bat am Montag die Spitzenmanager von Siemens und General Electric (GE) zu Gesprächen in den Élyséepalast. Beide Unternehmen hatten zuvor Interesse an Teilen des Herstellers von Energie- und Bahntechnik angemeldet. Siemens kündigte an, im Anschluss an das Treffen mit Hollande über ein konkretes Angebot für Alstom entscheiden zu wollen. Daran sollten am Abend Vorstandschef Joe Kaeser und Aufsichtsratschef Gerhard Cromme teilnehmen.
Siemens soll bereit sein, Geschäfte im Schienenverkehr, wie den Bau von ICE-Zügen und Lokomotiven, an Alstom abzugeben, wenn es im Gegenzug das Energietechnik-Geschäft der Franzosen übernehmen könnte. Nach einem rund einstündigen Treffen zwischen Hollande und GE-Chef Jeff Immelt hatte es am Vormittag zunächst keine Neuigkeiten gegeben. Immelt liess lediglich mitteilen, die Gespräche seien «offen, freundlich und produktiv» gewesen. GE verstehe und schätze Hollandes Sichtweise und sei bereit, zusammenzuarbeiten.
Staat darf sich einmischen
Im Anschluss an die Gespräche mit Immelt und den Siemens-Vertretern wollte Hollande Martin Bouygues treffen. Der Chef des gleichnamigen französischen Konzerns ist als Alstom-Grossaktionär massgeblich an den Übernahmeverhandlungen beteiligt. Die Alstom-Führung will sich spätestens am Mittwochmorgen zum weiteren Vorgehen äussern. Die Aktien des für seine TGV-Züge bekannten Unternehmens sollen bis dahin nicht gehandelt werden.
Der französische Staat kann sich in die Verhandlungen einmischen, weil er bei Übernahmen in strategisch wichtigen Industriebereichen eine Art Veto-Recht hat. Die Regierung unter Hollande sieht eine mögliche Übernahme durch GE kritisch, weil sie unter anderem die Verlagerung von Arbeitsplätze und Entscheidungszentren befürchtet. Paris hat stattdessen angedeutet, einen Geschäftsfeldertausch zwischen Siemens und Alstom zu bevorzugen.
Kreise: Regierung will Alstom-Übernahme durch GE nicht behindern
Allerdings meldete die Nachrichtenagentur Bloomberg nach dem Treffen zwischen Hollande und Immelt unter Berufung auf Insider, die französische Regierung werde eine Alstom-Übernahme durch GE nicht behindern. Der Präsident habe Immelt demnach gesagt, dass unter anderem Garantien für Arbeitsplätze und die Energie-Unabhängigkeit des Landes wichtig für die Regierung seien.
Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums in Berlin erklärte am Montag mit Blick auf Alstom und Siemens, dass eine solche Übernahme zuerst eine unternehmerische Entscheidung sei, sie böte aber grosse industriepolitische Chancen für Deutschland und Frankreich. Beide Staaten wollten im Energiebereich eng zusammenarbeiten.
Vorbild Airbus
Hollande hatte bereits im Januar vorgeschlagen, eine deutsch-französische Allianz im Energiebereich zu schmieden. Als Vorbild für gelungene Zusammenarbeit nannte er den vor allem von Deutschland und Frankreich geschaffenen Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus (früher EADS).
In einem Brief bot Siemens-Chef Kaeser unter anderem eine Arbeitsplatzgarantie an. Siemens könne demnach für mindestens drei Jahre auf Stellenstreichungen in Frankreich verzichten. Der Wert der für Siemens interessanten Alstom-Geschäfte wird vom Unternehmen mit zehn bis elf Milliarden Euro beziffert. Es geht Siemens vor allem um die Kraftwerkssparte, die erneuerbaren Energien und die Energieübertragungstechnik von Alstom.
Siemens-Aktie im Minus
Den Anlegern des Münchner Konzerns bereiteten die Übernahmepläne zunächst Sorgen: Bis Montagnachmittag rutschten Siemens-Aktien mit einem kräftigen Minus von rund 2,50 Prozent in den Keller. Der Siemens-Rivale General Electric soll Gerüchten zufolge rund 13 Milliarden Dollar (9,4 Mrd Euro) für grosse Teile des französischen Herstellers von Energie- und Bahntechnik bieten. Die EU-Kommission wollte sich zunächst nicht zu möglichen kartellrechtlichen Hürden eines Einstieg von Siemens bei Alstom äussern. «Wir kommentieren keine hypothetischen Ereignisse», sagte ein Sprecher. (awp/mc/ps)