Kiew – Am ukrainischen Kernkraftwerk Saporischschja haben die Experten der Internationalen Atomenergiebehörde ihre Kontrollen fortgesetzt. Während IAEA-Chef Rafael Grossi am Freitagabend nach der Rückkehr in Wien über den Besuch berichten wollte, zweifelte der ukrainische Kraftwerksbetreiber bereits vorher am Erfolg der Mission. Wie lange diese dauern soll, blieb zunächst weiter unklar. Russland beteuerte indes, auf dem AKW-Gelände keine schweren Waffen zu lagern.
Im Kampf gegen die internationale Energiekrise wollen die G7-Staaten derweil einen Preisdeckel auf russisches Öl durchsetzen, wie die Finanzminister in einer gemeinsamen Erklärung formulierten. Nach einem dreitägigen Lieferstopp soll am Samstagmorgen wieder russisches Gas durch die Pipeline Nord Stream 1 nach Deutschland fliessen, wie aus Daten der Website der Nord Stream AG vom Freitag hervorging.
Im Kriegsgeschehen selbst vermeldete die Ukraine die Zerstörung eines russischen Depots im Hinterland. Moskau teilte mit, dass die Ukraine bei ihrer Gegenoffensive schwere Verluste erleidet. CDU-Chef Friedrich Merz sprach sich dafür aus, deutsche Leopard-2-Kampfpanzer in die Ukraine zu liefern – das hatte zuvor bereits der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal in einem dpa-Interview gefordert.
Ukrainischer Kraftwerksbetreiber zweifelt an IAEA-Mission
Noch während die Mitarbeiter der IAEA am AKW Saporischschja im Einsatz und auf der Suche nach möglichen Schäden des wochenlangen Beschusses waren, äusserte der Kraftwerksbetreiber Enerhoatom Zweifel am Erfolg der Mission. «Die Besatzer lügen, verfälschen Tatsachen und Beweise», schrieb Enerhoatom in Hinblick auf Russland bei Telegram. Der Delegation sei der Zutritt ins Krisenzentrum der Anlage verwehrt worden. Dort sei derzeit russisches Militärpersonal stationiert. Russland wolle, dass keine Fakten zum AKW bekannt würden.
Schoigu: Russland hat keine schweren Waffen am AKW Saporischschja
Russland hat nach Angaben von Verteidigungsminister Sergej Schoigu keine schweren Waffen am AKW Saporischschja stationiert. «Ich erkläre verantwortungsvoll, dass wir keine schweren Waffen auf dem Gelände des Kernkraftwerks oder in den angrenzenden Gebieten haben», sagte er in Moskau. Er hoffe, die IAEA-Experten könnten sich davon überzeugen. Russland und die Ukraine beschuldigen sich gegenseitig, das Kraftwerk in dem Krieg angegriffen zu haben.
Unterschiedliche Angaben zu Fortgang der Kämpfe
Die von der Ukraine gestartete Gegenoffensive im Süden des Landes ist aus Sicht von Schoigu weitgehend gescheitert. «Die ukrainischen Streitkräfte setzen den Versuch von Angriffen im Raum zwischen Mykolajiw und Krywyj Rih und in anderen Richtungen fort, der Feind erleidet hohe Verluste», sagte er. Kiews einziges Ziel bei der Offensive sei es, «bei den westlichen Kuratoren die Illusion zu erzeugen, die ukrainische Armee sei zu Angriffen fähig».
Kiew meldete, fünf Munitionslager der Russen bei Cherson vernichtet zu haben. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Nach Angaben des für Kriegsgefangene zuständigen Koordinationsstabs tauschten die Ukraine und Russland im Gebiet Donezk Gefangene aus. Es seien 14 Ukrainer freigekommen, darunter ein Offizier.
G7-Finanzminister wollen Preisdeckel auf russisches Öl durchsetzen
Die Finanzminister der G7 wirtschaftsstarker Demokratien wollen einen Preisdeckel auf russisches Öl durchsetzen. In einer gemeinsamen Erklärung, die der dpa vorliegt, forderten sie alle Länder, die russisches Öl importieren, auf, sich dieser Massnahme anzuschliessen. «Wir streben eine breite Koalition an, um die Effektivität zu maximieren», heisst es in dem Papier. Im Kern will man Russland dazu zwingen, Öl künftig für einen deutlich niedrigeren Preis an grosse Abnehmer wie Indien zu verkaufen. Dies soll die Ölmärkte entspannen und die Auswirkungen des Krieges auf die Energiepreise abfedern. Zugleich würde Russland seine Kriegskasse nicht weiter füllen können.
Vorläufige Netzdaten: Ab Samstagmorgen wieder Gas über Nord Stream 1
Nach dem Ende eines dreitägigen Lieferstopps sind für Samstag um 2.00 Uhr morgens wieder Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 angekündigt. Das geht aus vorläufigen Daten der Website der Nord Stream AG hervor. Der Umfang entspricht den Lieferungen vor der Unterbrechung, also etwa 20 Prozent der maximal möglichen Menge und damit täglich 33 Millionen Kubikmeter Erdgas. Bei den Vormerkungen handelt es sich um Vorabinformationen für Gasnetzbetreiber. Sie können sich bis kurz vor der tatsächlichen Lieferung ändern. Seit Mittwochmorgen fliesst kein Gas durch die zuletzt wichtigste Leitung für russisches Gas nach Deutschland. Grund sind laut dem russischen Energiekonzern Gazprom Wartungsarbeiten an einer Kompressorstation. (awp/mc/pg)