Ifo-Geschäftsklima in Deutschland fällt vierten Monat in Folge
Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. (Foto: Ifo-Institut)
München – Die Aussichten für die deutsche Wirtschaft haben sich im August den vierten Monat in Folge eingetrübt. Das vom Ifo-Institut am Montag veröffentlichte Geschäftsklima fiel auf den niedrigsten Stand seit über einem Jahr. Die Chancen auf eine Konjunkturbelebung im dritten Quartal sind damit laut Volkswirten deutlich geschrumpft. Der enttäuschend ausgefallene Indikator könnte zudem Einfluss auf die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank haben.
Das Ifo-Geschäftsklima fiel um 1,7 Punkte auf 106,3 Punkte, teilte das Institut in München mit. Dies ist der niedrigste Stand seit Juli 2013. Volkswirte hatten lediglich mit einem Rückgang auf 107,0 Punkte gerechnet. Die Unternehmen bewerteten sowohl die aktuelle Lage als auch den künftigen Geschäftsverlauf pessimistischer als zuvor von Ökonomen erwartet.
«Geopolitische Risiken verunsichern»
«Die deutsche Wirtschaft verliert weiter an Kraft», sagte Ifo-Chef Hans-Werner Sinn. «Vom Export werden immer weniger Impulse erwartet.» Geopolitische Risiken verunsicherten das deutsche Unternehmerlager, schreibt der Chefvolkswirt der VP-Bank Thomas Gitzel in einer Analyse. Die deutsche Wirtschaft habe vorerst ihren Zenit überschritten. Vor allem der Handelskrieg mit Russland wurde von Ökonomen für die jüngste Schwäche der heimischen Wirtschaft verantwortlich gemacht.
Doch auch ohne die Konfliktherde wäre nicht mehr Wachstum möglich gewesen, schreibt Gitzel. So trübten sich neben dem Verarbeitenden Gewerbe auch die Stimmung im Gross- und Einzelhandel ein. Lediglich im Bausektor verbesserten sich die Bewertungen.
Keine Belebung im dritten Quartal
Der vierte Rückgang in Folge des Ifo-Geschäftsklimas ist nach ein Einschätzung der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) ein fortgesetztes Signal für eine konjunkturelle Trendwende. «Eine Belebung der deutschen Wirtschaftsaktivität im dritten Quartal lässt sich hieraus nicht ablesen», schreibt Helaba-Volkswirt Ralf Umlauf in einer Kurzanalyse. Das noch immer hohe Niveau des Geschäftsklimas sollte kaum für Optimismus sorgen. Im zweiten Quartal war das deutsche Bruttoinlandsprodukt um 0,2 Prozent geschrumpft.
Die Unternehmen bewerteten sowohl die aktuelle Lage als auch den künftigen Geschäftsverlauf pessimistischer als zuvor von Ökonomen erwartet. Die Bewertung der aktuelle Lage sank laut Ifo-Institut von 112,9 Punkten im Vormonat auf 111,1 Punkte. Die Erwartungen für das nächste halbe Jahr gaben ebenfalls unerwartet stark nach von 103,4 Punkten auf 101,7 Zähler.
Auswirkungen auf EZB
Die Daten dürften laut Commerzbank Chefvolkswirt Jörg Krämer auch Auswirkungen auf die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) haben: «Die Wahrscheinlichkeit für breit angelegte Anleihekäufe steigt.» Richtig problematisch sei der erneute Ifo-Rückgang für den Rest des Euroraums, der kaum wachse. «Deshalb dürfte EZB-Präsident Draghi am Freitagabend überraschend von seinem Redemanuskript abgewichen haben, um vor dem deutlichen Rückgang der langfristigen Inflationserwartungen zu warnen», sagte der Ökonom mit Blick auf Draghis Auftritt bei einer Konferenz im amerikanschen Jackson Hole.
Die Renditen für Staatsanleihen aus Deutschland und der Eurozone gingen angesichts einer möglichen weiteren geldpolitischen Lockerung deutlich zurück. Besonders kräftig waren die Rückgänge in den Peripherieländern. Der DAX verteidigte seine frühen Gewinne. Der Eurokurs bewegte sich kaum, nachdem er bereits zuvor erstmals seit September 2013 unter die Marke von 1,32 Dollar gefallen war. (awp/mc/upd/ps)