Immer wieder Diesel: Volkswagen wächst langsamer – und ist besorgt
Wolfsburg – Der Autobauer Volkswagen geht angesichts zahlreicher Herausforderungen mit einer gewissen Vorsicht ins neue Jahr. Zwar scheinen die grössten Brocken zur Beseitigung der Dieselaffäre im Konzern verarbeitet – doch plötzlich hat sich die Autokonjunktur deutlich eingetrübt. Hinzu kamen beim Autobauer aus Wolfsburg im vergangenen Jahr der teure Schlamassel um die Einführung des neuen Abgasprüfstandards WLTP. VW -Chef Herbert Diess blickt auch wegen drohender US-Zölle eher verhalten optimistisch voraus: «Der Gegenwind in wichtigen Märkten dürfte 2019 nochmals stärker werden.»
Im vergangenen Jahr lagen dem Konzern die direkten Folgen der Dieselkrise noch einmal ebenso so stark im Magen wie zuvor. Die von den Staatsanwaltschaften Braunschweig und München verhängten Milliardengeldbussen summierten sich mit anderen Kosten auf insgesamt 3,2 Milliarden Euro. Für die Bewältigung der Dieselkrise verbuchte der Konzern seit Bekanntwerden im Herbst 2015 damit rund 29 Milliarden Euro an Kosten.
Auch die verbindliche Einführung des neuen Abgastest- und Verbrauchsverfahrens WLTP, wonach VW und die Töchter Audi und Porsche viele Modellvarianten teils über Monate nicht liefern konnten, schlug nun im Tagesgeschäft durch. Der Konzern hatte früh gewarnt, dass Produktionsausfälle und Extrakosten dafür mit mehr als einer Milliarde Euro zu Buche schlagen würden.
Operatives Ergebnis stagniert
Trotz gestiegener Auslieferungen und des um 6,3 Milliarden Euro auf 235,8 Milliarden Euro gewachsenen Umsatzes stagnierte das operative Ergebnis: Vor Sondereinflüssen lag das Betriebsergebnis bei 17,1 Milliarden Euro – ein Jahr zuvor waren es 17,0 Milliarden Euro. Das war zwar etwas mehr als Analysten zuvor erwartet hatten. Allerdings bemängelte etwa Branchenexperte Patrick Hummel von der Schweizer Grossbank UBS die unerwartet schwache Entwicklung des freien Geldzuflusses. Die Vorzugsaktie stieg bis Xetra-Handelsende um 0,1 Prozent.
Mit 12,15 Milliarden Euro stieg der Nachsteuergewinn um 6 Prozent. Diess betonte: «Wir haben uns 2018 ordentlich geschlagen.» Dies gelte gerade vor dem Hintergrund der WLTP-Umstellung, die zu erheblichen Verwerfungen in der Absatzentwicklung geführt habe. «Insgesamt werden aber erhebliche Anstrengungen notwendig sein, um auch im neuen Geschäftsjahr unsere ambitionierten Ziele zu erreichen», sagte der Manager. Denn der Konzern peilt für 2019 trotz der Probleme auf den Automärkten erneut einen um bis zu fünf Prozent steigenden Umsatz an. Die Auslieferungen sollen weltweit leicht zulegen.
Bei der Umsatzrendite des um Sondereinflüsse bereinigten operativen Ergebnisses – also dem Anteil des operativen Gewinns am Umsatz – rechnet Diess mit einem Wert zwischen 6,5 und 7,5 Prozent nach 7,3 Prozent im Vorjahr. Analyst Frank Schwope von der NordLB sprach von einer guten Ausgangslage, die Sondereffekte aus dem Dieselskandal dürften sich verringern.
Auslieferungsrekord
Das zeigte sich auch am eigentlich guten Lauf im Tagesgeschäft: 2018 lieferte der Konzern trotz aller Schwierigkeiten mit 10,83 Millionen Fahrzeugen mehr Autos aus als jemals zuvor. Im Dezember gab es allerdings einen empfindlichen Rückgang um über 8 Prozent. In der zweiten Jahreshälfte 2018 verzeichnete VW eine deutliche Eintrübung des wichtigen Marktes China – und startete wegen geringerer Verkäufe in China und Amerika auch schwächer ins laufende Jahr.
Die Flaute in China war bei VW auch am Ergebnis abzulesen. Die chinesischen Gemeinschaftsunternehmen lieferten 2018 einen anteiligen operativen Gewinn von 4,6 Milliarden Euro statt wie vor einem Jahr 4,7 Milliarden Euro.
Schwope sagte, er könne sich in China Verkaufserleichterungen von staatlicher Seite vorstellen – für den Fall, dass das erste Quartal schwach ausfalle. «Allerdings wird die Automobil-Welt in den nächsten Jahren weiterhin von viel Unruhe geprägt sein», sagte er.
Dazu kommen drohende US-Strafzölle auf europäische Autoimporte. Zuletzt waren Sonderzölle von 25 Prozent im Gespräch. Das könnte den VW-Konzern bis zu 2,5 Milliarden Euro kosten, hatte Diess der «Financial Times» gesagt. Darüber hinaus kämpft der Konzern nach dem Abgasskandal an zahlreichen juristischen Fronten. Neben einer Vielzahl von Klagen von Diesel-Kunden gibt es auch milliardenschwere Klagen von Anlegern und Investoren. Ausserdem wird strafrechtlich ermittelt.
Vor allem aber bekam Volkswagen im vergangenen Jahr herbe Probleme mit der neuen Abgasnorm WLTP, weil die vielen Getriebe- und Motorvarianten nach den neuen Vorgaben einzeln zertifiziert werden müssen. Und dieses Jahr droht im September eine weitere Stufe neuer Verbrauchsmessungen.
Volkswagen hat aber auch ein paar Eisen im Feuer: Die Lkw- und Bussparte Traton soll Mitte des Jahres bereit sein für einen möglichen Börsengang. Das Geld könnte VW beispielsweise in die Softwareentwicklung stecken – oder in teure Technik für das autonome Fahren und die Elektromobilität.
Ab Jahresende soll in Zwickau das erste Modell der neuen vollelektrischen ID-Familie vom Band rollen, Analysten wie Arndt Ellinghorst vom Investmentberater Evercore räumen dem Konzern in dem Zukunftsfeld gute Chancen ein. Zudem gibt es bei der angedachten Partnerschaft mit Ford beim Bau von kleinen Nutzfahrzeugen noch Spielräume – die beiden Autoriesen prüfen weiter, ob sich nicht auch eine ausgeweitete Entwicklungsallianz lohnt.
Höhere Dividende
Trotz des von Diess angekündigten Gegenwinds: Die Dividende soll auf 4,80 (Vorjahr 3,90) Euro je Stammaktie und 4,86 (3,96) Euro je Vorzugsaktie steigen. Die Mitarbeiterzahl kletterte um 3,5 Prozent auf rund 664 500 Menschen. (awp/mc/ps)