Irans Präsident Raisi tödlich verunglückt
Teheran – Der iranische Präsident Ebrahim Raisi und sein Aussenminister Hussein Amirabdollahian sind beim Absturz ihres Hubschraubers im Iran ums Leben gekommen. Keiner der neun Insassen habe überlebt, berichteten die staatliche Nachrichtenagentur Irna und das Staatsfernsehen am Montag. Zur Ursache des Unglücks vom Sonntag gab es zunächst keine offiziellen Informationen. Die Verbündeten Teherans – unter ihnen Russland und China – kondolierten.
Irans Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei ordnete fünf Tage Staatstrauer an. Zudem übertrug er die Amtsgeschäfte an Raisis ersten Vize Mohammed Mochber.
Erzfeind Israel erwartet Medienberichten zufolge keine echten Auswirkungen auf den jüdischen Staat. Unter Berufung auf namentlich nicht genannte Regierungsvertreter hiess es zudem, dass Israel nichts mit dem Vorfall zu tun habe. Eine offizielle Reaktion aus Israel gab es zunächst nicht.
Raisi war am Sonntagnachmittag zusammen mit Aussenminister Amirabdollahian auf der Rückreise von einem Treffen mit dem Präsidenten Aserbaidschans, Ilham Aliyev, als ihre Maschine bei dichtem Nebel vom Radar verschwand. Gemeinsam hatten sie im Nachbarland einen Staudamm eingeweiht. Mit insgesamt drei Hubschraubern machte sich der Tross danach auf den Rückweg, doch die Präsidentenmaschine kam nicht an ihrem Zielort an.
Daraufhin entbrannten Spekulationen, ob der Absturz auf schlechtes Wetter, einen technischen Defekt am Hubschrauber oder gar Sabotage zurückzuführen sei. Klarheit darüber gab es bis zum Montagmittag nicht.
Irans Luftwaffe gilt als stark veraltet, ihre Modernisierung kommt angesichts scharfer internationaler Sanktionen kaum voran, Ersatzteile sind schwer zu beschaffen. Viele Flugzeuge und Helikopter stammen noch aus der Zeit vor der Islamischen Revolution von 1979, als das Land enge Beziehungen zu den USA unterhielt. Immer wieder kommt es zu folgenschweren Unfällen und Abstürzen.
Iran droht politische Krise – Neuwahl innerhalb von 50 Tagen
Die Amtsgeschäfte übernimmt nun Raisis erster Vize Mohammed Mochber. Irans Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei beauftragte ihn am Montag zudem damit, gemeinsam mit der Spitze der Justiz und des Parlaments innerhalb von 50 Tagen Neuwahlen zu organisieren. Vizeaussenminister Ali Bagheri, der zuletzt eine führende Rolle als Unterhändler bei den Atomverhandlungen mit dem Westen hatte, wurde zum geschäftsführenden Aussenminister ernannt.
Beileidsbekundungen der Verbündeten – Westen zurückhaltend
Irans Verbündete zeigten sich bestürzt über Raisis Tod. Chinas Präsident Xi Jinping brachte nach Angaben eines Sprechers des Aussenministeriums seine «tiefe Trauer über den Tod» Raisis zum Ausdruck. Russlands Präsident Wladimir Putin nannte Raisi einen herausragenden Politiker und wahren Freund Russlands. «Er wurde von seinen Landsleuten zu Recht hochgeachtet und genoss im Ausland grosses Ansehen», hiess es in einem Schreiben Putins. Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach sein Beileid aus. Alle drei Länder haben gute Beziehungen zum Iran.
Als einer der wenigen westlichen Politiker sprach EU-Ratschef Charles Michel sein Beileid mit dem Iran aus. Auch Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni drückte Solidarität mit dem Land aus. Andere westliche Spitzenpolitiker hielten sich dagegen zunächst zurück, auch von der Bundesregierung kam zunächst keine Reaktion.
Raisis Regierung steht seit Jahren wegen ihrer erzkonservativen Wertevorstellungen, der Unterdrückung von Bürgerrechten und der schweren Wirtschaftskrise im Iran in der Kritik. Zahlreiche Iranerinnen und Iraner brachten in sozialen Medien ihre Schadenfreude über den Hubschrauberabsturz zum Ausdruck.
Raisi war im August 2021 als neuer Präsident vereidigt worden. Als Spitzenkandidat der politischen Hardliner sowie Wunschkandidat und Protegé des Religionsführers Chamenei hatte Raisi die Präsidentenwahl mit knapp 62 Prozent der Stimmen gewonnen.
Der Iran stand zuletzt verstärkt im Fokus, auch weil ein regionaler Krieg mit dem Erzfeind Israel zu drohen schien. Während Raisis Amtszeit vertiefte die Islamische Republik ihre wirtschaftliche und militärische Kooperation mit China und Russland, die Beziehung zum Westen kühlte unter anderem wegen des Streits über das iranische Atomprogramm ab. Ausserdem warf der Westen der Führung in Teheran schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen vor. Trotzdem gab es erst vor wenigen Tagen wieder Berichte über neue Gespräche mit den USA im Golfstaat Oman.
Religiöser Hardliner: Raisi als Mann des Systems
Raisi wurde 1960 in Maschhad geboren und war über drei Jahrzehnte in der zentralen Justizbehörde des Landes tätig. 2019 wurde er zum Justizchef ernannt. In seiner früheren Funktion als Staatsanwalt soll er 1988 für zahlreiche Verhaftungen und Hinrichtungen politischer Dissidenten verantwortlich gewesen sein, weshalb seine Gegner ihm den Beinamen «Schlächter von Teheran» verpassten.
Experten hatten Raisi zwischenzeitlich auch als möglichen Nachfolger für Chamenei gehandelt, der im April 85 Jahre alt wurde. Auch wenn sich die Kritik der jungen Generation inzwischen immer mehr gegen das gesamte System der Islamischen Republik richtet, stand Raisi innenpolitisch besonders unter Druck. Zuletzt trieb die Regierung ihren umstrittenen Kurs bei der Verfolgung des Kopftuchzwangs voran und brachte damit Teile der Bevölkerung noch mehr gegen sich auf. (awp/mc/pg)