Rom – Bei der Regierungsbildung in Italien schlagen die rechte Lega und die populistische Fünf-Sterne-Bewegung erneut einen Haken: Mit einem neuen Anlauf für eine Koalition wollen sie eine Technokraten-Regierung unter Finanzexperte Carlo Cottarelli doch noch verhindern.
«Wir wollen keine Zeit mehr verlieren: Entweder man akzeptiert das Programm und die Regierungsmannschaft, die wir aufgebaut haben, oder es kommt zu Neuwahlen», sagte Lega-Chef Salvini nach Medienangaben. Salvini betonte, er wolle nicht auf den europakritischen Ökonomen Paolo Savona als Wirtschaftsminister verzichten. Die Personalie war am Sonntag von Präsident Sergio Mattarella aus Sorge um die Finanzstabilität abgelehnt worden, was eine politische Krise in Rom ausgelöst hatte. «Entweder es kommt zu einer politischen Regierung, oder zu Neuwahlen», betonte auch Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio. Dieser hatte sich bereit erklärt, neue Gespräche mit dem Präsidenten für eine Regierung mit der Lega aufzunehmen.
Gegenwind für Cottarelli
Nachdem Mattarella Savona verhindert hatte, hatten Lega und Fünf-Sterne-Bewegung ihre Bemühungen um die Regierungsbildung zunächst eingestellt. Allerdings wollen sie auch nicht dem designierten Ministerpräsidenten Cottarelli, ins Amt verhelfen, was voraussichtlich Neuwahlen im Herbst oder Anfang 2019 bedeuten würde. Am Mittwoch führte Cottarelli nach Angaben aus Mattarellas Umfeld «informelle Gespräche» mit dem Staatspräsidenten. Der Präsidentenpalast bestätigte, dass Mattarella und Cottarelli mit der Bildung einer Übergangsregierung warten wollten, bis klar sei, ob es noch eine Einigung zwischen den Parteien geben könne. Die Bekanntgabe des Kabinetts Cottarellis war eigentlich für Dienstagnachmittag erwartet, dann jedoch ohne Begründung verschoben worden. Zöge sich Cottarelli nun zurück, könnte eigentlich schon am 29. Juli gewählt werden – oder es gelingt den beiden Parteien doch noch, Mattarellas Zustimmung zu ihrem Kabinett zu gewinnen.
Lega will von Umfragehoch profitieren
Lega-Chef Salvini, der Neuwahlen so schnell wie möglich möchte, stellt sich gegen den 29. Juli, was mitten in der Ferienzeit wäre. Dies würden die Italiener als «störend» empfinden. Er favorisiert einen noch früheren Termin. «Je früher wir wählen, desto besser, denn das ist der beste Weg, um aus diesem Sumpf und dieser Verwirrung herauszukommen», sagte er. Mattarella müsse erklären, wie es in Italien nun weitergehe. Zurzeit profitiert die Lega bei den Wählern von der seit drei Monaten andauernden Hängepartie. In einer Ipsos-Umfrage für die Zeitung «Corriere della Sera» legte sie auf 25,4 Prozent zu – das wäre ein Plus von 8 Prozentpunkten gegenüber der Wahl am 4. März. Die 5 Sterne verharren bei 32,6 Prozent. Die Umfrage wurde am 16. und 17. Mai und damit vor der gescheiterten Regierungsbildung erhoben.
Mehr Staatsausgaben trotz Schuldenberg
einer Koalition setzen die beiden Parteien auf höhere Staatsausgaben, obwohl sich in Italien bereits ein Schuldenberg von fast 2,3 Billionen Euro auftürmt – über 130 Prozent der Wirtschaftsleistung. Erlaubt sind nach dem EU-Regelwerk für die Währungsunion eigentlich nur 60 Prozent. Diese Pläne sorgen nicht nur in der Europäische Zentralbank (EZB) und bei den Euro-Partnern für Alarm, sondern machen auch die Investoren nervös: Um 5,57 Milliarden Euro einzusammeln, musste der italienische Staat am Mittwoch bei zehnjährigen Anleihen eine Rendite von drei Prozent bieten – so viel wie seit Mai 2014 nicht. Im April waren es 1,7 Prozent. (awp/mc/ps)