Rom – Silvio Berlusconi ist tot. Der frühere italienische Ministerpräsident starb am Montag im Alter von 86 Jahren in einem Krankenhaus in Mailand. Der Unternehmer und Milliardär hatte in den vergangenen Jahrzehnten die Politik in Italien wie kein zweiter bestimmt, zugleich aber auch extrem polarisiert. «Berlusconi war ein grosser politischer Anführer, der die Geschichte unserer Republik geprägt hat», teilte Staatspräsident Sergio Mattarella mit. Mit einem Staatsbegräbnis im Mailänder Dom wird Berlusconi dann am Mittwoch die letzte Ehre erwiesen.
Der frühere Regierungschef und zuletzt Parlamentsabgeordnete war am Montagmorgen gegen 9.30 Uhr im Krankenhaus San Raffaele in Mailand gestorben, wie die Klinik bestätigte. Dort wurde Berlusconi zuletzt immer häufiger behandelt, von Anfang April bis Mitte Mai etwa wegen einer Lungenentzündung und einer chronischen Leukämie. Am Wochenende wurde er erneut eingewiesen; zunächst hiess es wegen Kontrollen.
Am Montag eilten dann Familienangehörige in die Klinik. Nach der Nachricht vom Tod kamen Anhänger und Schaulustige und legten vor der Klinik sowie Berlusconis Villa Blumen nieder.
«Ein grosser Italiener»
«Er war ein Mann, der nie Angst hatte, seine Überzeugung zu verteidigen. Dieser Mut und diese Entschlossenheit haben ihn zu einem der einflussreichsten Männer der italienischen Geschichte gemacht», sagte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, in deren Koalition auch Berlusconis Partei kleiner Partner war. Matteo Salvini von der ebenfalls mitregierenden Lega nannte Berlusconi «einen grossen Italiener».
Auch politische Rivalen würdigen den Verstorbenen. «Silvio Berlusconi hat Geschichte geschrieben in diesem Land», sagte Matteo Renzi, einst sozialdemokratischer Ministerpräsident. «Mit dem Tod von Silvio Berlusconi endet eine Ära», sagte Oppositionsführerin Elly Schlein, Parteichefin des Partito Democratico.
Papst Franziskus nannte den fast gleichaltrigen Berlusconi in einem Kondolenzschreiben einen «Protagonisten des politischen Lebens in Italien», der sich entschlossen der öffentlichen Verantwortung gestellt habe.
Viermal Ministerpräsident
Berlusconi wurde am 29. September 1936 geboren, war zunächst Geschäftsmann und stand seit 1994 insgesamt vier Regierungen in Italien als Ministerpräsident vor. Er bestimmte die Geschicke des Landes mehr als zwei Jahrzehnte mit. «Viele haben ihn geliebt, viele haben ihn gehasst», schrieb Renzi. Aber alle müssten den grossen Einfluss auf das politische und wirtschaftliche Leben anerkennen.
«Jesus Christus der Politik»
Für den früheren Regierungschef Mario Monti war Berlusconi der «Vater aller Populisten», er selbst nannte sich einmal «Jesus Christus der Politik». Immer wieder gab es Vorwürfe von Interessenkonflikten zwischen seinem Amt und dem von ihm kontrollierten Medienimperium Mediaset, das inzwischen MFE, MediaForEurope, heisst. Als der Mediesat-Sender Canale5 in einer Morgenshow den Tod von Berlusconi live mitteilte, kämpfte die Moderatorin mit den Tränen und sprach von der «schlimmstmöglichen Nachricht», die sie verkünden könne.
Prozesse ohne Ende
Berlusconi musste sich auch zahlreichen Gerichtsprozessen stellen. Im Zusammenhang mit einer Strafe wegen Steuerhinterziehung wurde er 2013 aus dem Parlament ausgeschlossen und durfte in den folgenden Jahren keine öffentlichen Ämter ausüben. Er klagte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Zuletzt war er Abgeordneter im Senat, der kleineren der zwei Parlamentskammern in Rom. Dort wehten die italienischen und europäischen Flaggen am Montag auf halbmast.
Im März 2015 wurde Berlusconi im «Bunga-Bunga»-Prozess um Sex mit minderjährigen Prostituierten und Amtsmissbrauch in letzter Instanz freigesprochen. Auch ein Folgeverfahren wegen Zeugenbestechung endete mit einem Freispruch. Seiner Beliebtheit bei vielen Italienern taten die Konflikte mit dem Gesetz aber keinen Abbruch.
Im Zuge der Finanzkrise hatte er 2011 endgültig als Ministerpräsident abtreten müssen. Immer wieder versuchte er das politische Comeback für ein Spitzenamt. Doch die rauschende Rückkehr auf die ganz grosse Bühne gelang dem «Cavaliere» nicht – auch sein letzter Traum, Staatspräsident zu werden, platzte Anfang 2022.
Grosse gesundheitliche Probleme
Gesundheitlich hatte Berlusconi in seinen letzten Jahren immer wieder grosse Probleme: 2016 wurde er am Herz operiert, 2020 musste er wegen einer Corona-Infektion und einer Lungenentzündung ins Krankenhaus. Auch 2022 wurde er wegen einer Harnwegsinfektion stationär behandelt. Bereits 1997 wurde er wegen eines Tumors an der Prostata operiert. Schon seit mehreren Jahren hatte er zudem einen Herzschrittmacher. Zuletzt wurde bekannt, dass er an chronischer Leukämie leidet.
Seine Forza Italia, die er bei den Parlamentswahlen 1994 aus dem Stand zur grössten Partei gemacht hatte, schrumpfte im Stiefelstaat immer weiter zusammen. Das lag auch daran, dass Berlusconi kaum politische Erben zuliess und Forza Italia immer mit seinem Namen verbunden war. Immerhin schaffte sie es als kleiner Partner von Giorgia Meloni im Herbst 2022 noch mal in die Regierung.
Putins Freund
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine fiel der Italiener gleich mehrmals mit Kommentaren auf, in denen er Verständnis für den guten Freund Wladimir Putin äusserte. Diese Aussagen brachten die Regierungskoalition immer wieder in Erklärungsnot. «Für mich war Silvio ein teurer Mensch, ein echter Freund», schrieb Russlands Präsident Wladimir Putin in seinem Beileidstelegramm
Auch privat sorgte Berlusconi stets für Schlagzeilen. Der zweimal geschiedene Politiker hinterlässt fünf Kinder und viele Enkel. Zuletzt war er mit der Forza-Italia-Abgeordneten Marta Fascina zusammen, die mehr als 50 Jahre jünger war als Berlusconi. (awp/mc/pg)