Italiens Ministerpräsident Mario Monti.
Rom – Italien steckt in einer tiefen Regierungskrise: Ministerpräsident Mario Monti will nach einem Vertrauensverlust seiner Regierung vorzeitig abtreten. Das teilte das Präsidialamt in Rom nach einem Krisentreffen von Staatschef Giorgio Napolitano mit Monti am Samstagabend mit. Bei einem vollzogenen Rücktritt noch vor Weihnachten dürfte die für März oder April anstehende Parlamentswahl auf die zweite Februarhälfte vorgezogen werden. Offen ist, ob Monti für das Amt des Regierungschefs kandidieren will.
Die Mitte-Rechts-Partei PdL des dreifachen früheren Regierungschefs Silvio Berlusconi hatte Monti die Unterstützung entzogen. Berlusconi hatte am Samstag bestätigt, dass er erneut Regierungschef werden will. «Ich gehe ins Rennen, um zu gewinnen», sagte er. In Umfragen stehen die Siegchancen derzeit aber schlecht. Zudem muss sich der 76-Jährige derzeit in einem Prozess wegen Sex mit minderjährigen Prostituierten und Amtsmissbrauch verantworten.
Rücktritt nach der Verabschiedung eines Stabilitäts- und Haushaltsgesetzes
Der parteilose Reformer Monti, seit November 2011 im Amt, machte seine Entscheidung nach einer Konsultation mit Napolitano bekannt. Er will seinen Rücktritt nach der Verabschiedung eines Stabilitäts- und Haushaltsgesetzes vollziehen, wie mitgeteilt wurde. Die PdL wollte diesem Gesetz doch noch zustimmen, hatte Parteichef Angelino Alfano am Freitag erklärt. Das wichtige letzte Gesetz der Regierung Monti könnte beschleunigt innerhalb einer Woche verabschiedet werden. Napolitano sagte am Sonntag, er wolle erst in acht Tagen seine Bewertung der Regierungskrise abgeben.
Aus Berlusconis PdL (Volk der Freiheit) wurde der Schritt Montis begrüsst. «Endlich, Rücktritt», so Massimo Corsaro, Vizefraktionschef der PdL im Parlament. In einem Jahr der «technischen Regierung» habe sich in Italien vom Bruttoinlandsprodukt bis zur Arbeitslosenquote alles zum Schlechteren gewandelt, kritisierte er.
Linke wirft Berlusconi verantwortungsloses Handeln vor
Die Linke warf Berlusconi verantwortungsloses Verhalten vor, er stürze das Land in eine tiefe Krise. «Er will Italien zerstören», sagte der frühere Chef der Mitte-Links-Partei PD (Demokratische Partei), Walter Veltroni, dem Mailänder «Corriere della Sera».
In Italien hatten sich vor diesem dramatischen Schritt Montis Wahlen zum Parlament am 10. März abgezeichnet. «Je eher, desto besser, die Finanzmärkte wollen Stabilität, und die kann nur die Wahl bringen», sagte Gianfranco Rotondi, ehemaliger Minister Berlusconis.
Asmussen ennttäuscht über Rückzug von Monti
Monti hat seine Entscheidung damit begründet, dass Berlusconis Parteichef Alfano seiner Regierung der Technokraten praktisch das Misstrauen ausgesprochen habe. Napolitano nahm diesen Schritt Montis mit Verständnis und Bedauern zur Kenntnis. Der Staatschef hatte Monti vor 13 Monaten nach dem Rücktritt Berlusconis eingesetzt, um das Land mit einer harten Sparpolitik aus der tiefen Schuldenkrise zu führen.
Das Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), Jörg Asmussen, zeigte sich enttäuscht über den Rückzug von Monti. Dessen Regierung habe in kurzer Zeit das Vertrauen der Anleger zurückgewonnen und die Haushaltskonsolidierung vorangebracht, sagte er der «Bild»-Zeitung (Montag). «Wer immer Italien, ein Gründungsland der EU, nach den Wahlen regiert, wird diesen Kurs mit derselben Ernsthaftigkeit fortsetzen müssen.»
Alfano: «Wir betrachten das Experiment dieser Regierung als beendet»
Die PdL hatte Monti in beiden Kammern des Parlaments in der vergangenen Woche die Unterstützung entzogen. «Wir betrachten das Experiment dieser Regierung als beendet», sagte Alfano am Freitag.
«Ich war zutiefst empört», sagte Monti dem «Corriere della Sera». Die Berlusconi-Partei hätte seiner Meinung nach den Mut aufbringen sollen, einen direkten Misstrauensantrag gegen seine Regierung zu stellen. Napolitano hatte daraufhin Konsultationen begonnen, um die geplanten Wahlen nach Ende der Legislatur geordnet vorzubereiten.
Demokratische Partei führt in Umfragen
Berlusconis zerstrittene Partei liegt in Umfragen seit langem nur noch an dritter Stelle. Am stärksten ist danach mit Abstand die Mitte-Links-Partei PD (Demokratische Partei) von Pier Luigi Bersani vor der populistischen Internet-Bewegung «Fünf Sterne» des Komikers Beppe Grillo. Grosse Teile der PdL waren gegen Berlusconis Kanidatur. Dass er erneut kandidieren will, hatte der 76-jährige Berlusconi am Samstag in Cargnago in der Lombardei bestätigt. «Ich mache das noch einmal aus Verantwortungsbewusstsein heraus», sagte Berlusconi. (awp/mc/ps)