IWF-Chefin Lagarde in Paris zu Finanzaffäre befragt
IWF-Chefin Christine Lagarde.
Paris – Im Ermittlungsverfahren um die Veruntreuung öffentlicher Mittel hat sich IWF-Chefin Christine Lagarde am Donnerstag einer mehr als zwölfstündigen Vernehmung stellen müssen. Über den Verlauf des Verhörs des französischen Gerichtshofs der Republik gab es nach dem Ende des Termins am Abend zunächst keine Angaben. Lagarde kündigte allerdings an, dass ihre Vernehmung an diesem Freitag fortgesetzt werde. «Bis morgen», rief sie nach dem Verlassen des Pariser Gerichtsgebäudes wartenden Journalisten zu.
Die 57-Jährige steht unter Verdacht, in ihrer Zeit als französische Wirtschaftsministerin (2007-2011) eine Entschädigungszahlung von rund 400 Millionen Euro an den früheren Adidas-Haupteigner Bernard Tapie ermöglicht zu haben. Weil das Geld aus der Staatskasse kam, wird der heutigen Weltwährungsfonds-Chefin Beihilfe zur Veruntreuung öffentlicher Mittel vorgeworfen.
Vorwürfe stets zurückgewiesen
Sollten die Ermittler die Verdachtsmomente gegen die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) bestätigt sehen, muss sie mit der Einleitung eines Anklageverfahrens rechnen. Dies könnte sie belasten – auch wenn ein Anklageverfahren noch nicht bedeutet, dass es wirklich zu einem Prozess kommt. Lagarde hat die Vorwürfe bisher stets zurückgewiesen.
Bei der Affäre geht es um den Verkauf des Sportartikelherstellers Adidas durch Tapie Anfang der 1990er Jahre. Er glaubte, bei dem Geschäft von der damaligen Staatsbank Crédit Lyonnais geprellt worden zu sein. Ein Schiedsgerichtsurteil gestand dem Ex-Minister 285 Millionen Euro Entschädigung zu. Inklusive Zinsen sollen 400 Millionen Euro geflossen sein.
Hohe Haftstrafe im Fall eines Prozesses möglich
Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hätte Lagarde das Verfahren nicht zulassen dürfen. Zudem habe die damalige Ministerin keinen Einspruch gegen das Urteil eingelegt. Als brisant gilt der Fall, weil Tapie im französischen Präsidentschaftswahlkampf 2007 den siegreichen Kandidaten Nicolas Sarkozy unterstützte.
Ihr Anwalt Yves Repiquet zeigte sich zuversichtlich, die Aussage seiner Mandantin vor dem Gerichtshof werde deutlich machen, dass sie «keinerlei strafrechtliche Verantwortung» trage. Sollte es zu einem Prozess gegen Lagarde kommen, drohen ihr bis zu zehn Jahre Haft und eine Geldstrafe von bis zu 150’000 Euro.
IWF stärkt Lagarde den Rücken
Frankreichs Regierungssprecherin Najat Vallaud-Belkacem äusserte sich am Donnerstag zurückhaltend zu den Ermittlungen. Lagarde sei nicht mehr Ministerin. Die Regierung engagiere sich nicht und lasse die Justiz ihre Arbeit machen, sagte sie dem Sender BFMTV.
Die IWF-Spitze stellte sich hinter Lagarde. «Der Exekutivrat wurde über die Angelegenheit unterrichtet, auch kürzlich, und drückt weiterhin sein Vertrauen in die Fähigkeit der geschäftsführenden Direktorin aus, ihre Aufgaben effektiv zu erfüllen», sagte IWF-Sprecher Gerry Rice in Washington.
Lagardes diplomatische Immunität sei auf ihren Wunsch hin «vor einiger Zeit» so weit ausgesetzt worden, dass sie in diesem Fall vor den französischen Behörden aussagen könne.
In der Affäre ermitteln parallel zum Gerichtshof der Republik auch drei Pariser Untersuchungsrichter. Sie befassen sich mit den Vorgängen, die nicht Lagardes Rolle als Ministerin betreffen. (awp/mc/ps)