Washington / Berlin – Der Handelskonflikt zwischen den USA und China lastet weiter auf der Weltwirtschaft. Der Internationale Währungsfonds (IWF) senkte seine Wachstumsvorhersage für das Jahr 2019 – das vierte Mal in Folge – auf nunmehr 3 Prozent, wie aus einer am Dienstag veröffentlichten Prognose hervorgeht.
Im Juli hatte der IWF noch ein Wachstum von 3,2 Prozent vorausgesagt. Auch für Deutschland wurde die Konjunkturprognose leicht nach unten korrigiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Konjunkturentwicklung als «besorgniserregend».
Die CDU-Politikerin verwies am Dienstag bei einem Maschinenbau-Treffen in Berlin auf internationale Handelskonflikte und Unsicherheiten über den Austritt Grossbritanniens aus der Europäischen Union. «Wir werden bis zur letzten Minute daran arbeiten, dass ein geregelter Austritt Grossbritanniens erfolgt», sagte sie in Berlin. Deutschland sei aber auch auf den anderen Fall vorbereitet.
Nach Angaben des IWF wächst die Weltwirtschaft so langsam wie seit der globalen Finanzkrise nicht mehr. Als Gründe dafür nannte der Weltwährungsfonds zunehmende Handelsbarrieren und wachsende Unsicherheit in Folge geopolitischer Risiken. Für das kommende Jahr fällt die Vorhersage zwar besser aus. Aber auch sie schraubte der IWF leicht herunter – auf jetzt 3,4 Prozent. 2018 war die Weltwirtschaft noch um 3,6 Prozent gewachsen.
Merkel warb erneut für weltweit offene Märkte. Mit Blick auf den Kurs von US-Präsident Donald Trump sagte sie, es gebe derzeit erhebliche Schwierigkeiten beim Multilateralismus. Sie werde sich mit aller Kraft dagegen stemmen.
Die Stimmung an den Finanzmärkten könnte sich nach Einschätzung des IWF nicht nur durch eine Zunahme von geopolitischen Spannungen und Handelskonflikten verschlechtern, sondern auch durch einen Austritt Grossbritanniens aus der Europäischen Union ohne ein Abkommen. Der Klimawandel trübe die Wachstumsaussichten für die Wirtschaft ebenfalls ein, insbesondere für davon bedrohte Länder.
Für Deutschland sei die internationale Nachfrage nach Produkten «Made in Germany» in der ersten Jahreshälfte geringer gewesen als erwartet. Deshalb sei die Prognose ebenfalls leicht nach unten korrigiert worden, hiess es. Nun wird ein Wachstum von lediglich 0,5 Prozent erwartet. Im kommenden Jahr soll das Plus dann 1,2 Prozent betragen. Das sind 0,5 Prozentpunkte weniger als in der vorangegangenen IWF-Prognose im Juli.
Für die gesamte Eurozone sagt der IWF ein Wachstum von 1,2 Prozent voraus. Im Juli lag die Prognose bei 1,3 Prozent. 2020 soll die Wirtschaft um 1,4 Prozent wachsen.
Handelsstreitigkeiten und Hemmnisse
Länder müssten gemeinsam Handelsstreitigkeiten lösen und die Hemmnisse abbauen, forderte der IWF. «Multilaterale Zusammenarbeit ist unverzichtbar, um einige der kurz- und langfristigen Probleme zu bewältigen.» Politische Entscheidungsträger sollten zusammenarbeiten, «um Spannungen im Handel zu beseitigen, die die globale Konjunktur geschwächt und Vertrauen verletzt haben».
US-Präsident Donald Trump hatte am Freitag eine Teileinigung mit China im Handelskrieg verkündet. China reagierte zurückhaltender auf den Ausgang der zweitägigen Verhandlungen in Washington. Die für Dienstag geplante Anhebung von Strafzöllen von 25 auf 30 Prozent auf chinesische Importe wurde in der Folge auf Eis gelegt. Damit kommt zumindest Entspannung in den seit mehr als einem Jahr andauernden Konflikt, gelöst ist er aber noch lange nicht. Die beiden grössten Volkswirtschaften der Welt hatten sich in dessen Verlauf immer weiter gegenseitig mit Strafzöllen überzogen.
Das schwächere Wirtschaftswachstum in China sei nicht nur auf die «eskalierenden Strafzölle» zurückzuführen, sondern auch auf eine sinkende Nachfrage im Land, betonte der IWF. Für 2019 wird ein leicht nach unten korrigiertes Wachstum von 6,1 Prozent erwartet, im kommenden Jahr von 5,8 Prozent. Vergangenes Jahr hatte die chinesische Wirtschaft noch um 6,6 Prozent zugelegt.
Abwärtstrend in den USA
Auch für die USA sagt der IWF einen Abwärtstrend voraus: Nach einem Wachstum von 2,9 Prozent im vergangenen Jahr wird 2019 nur noch ein Plus von 2,4 Prozent erwartet. Die Prognose liegt für 2020 bei 2,1 Prozent und damit geringfügig besser als noch im Juli erwartet (1,9 Prozent). Sowohl der Konsum als auch die Beschäftigung hätten sich positiv entwickelt.
Die neue Konjunkturprognose wurde im Rahmen der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Washington vorgestellt. Bei dem mehrtägigen Treffen beraten Zentralbanker, Finanzminister und Chefs von Grossbanken aus aller Welt über die Herausforderungen für die Weltwirtschaft. (awp/mc/ps)