Vor Ausschuss nicht die volle Wahrheit gesagt? James Murdoch
London – Rückzug auf Raten: Nach seinem Rücktritt bei der Zeitungsholding News International tritt James Murdoch nun auch als Chef des Verwaltungsrats beim Fernsehkonzern BSKYB ab. «Ich möchte, dass die Interessen von BSKYB nicht von Dingen untergraben werden sollen, die sich ausserhalb des Unternehmens abspielen», hiess es in einem Statement von James Murdoch am Dienstag in London. Er sehe sich als «Blitzableiter». Seine Nachfolge tritt Nicholas Ferguson an.
Der Sohn von Medienmogul Rupert Murdoch soll aber als Mitglied des Gremiums weiterarbeiten. Bereits bei seiner Wiederwahl als Verwaltungsratschef hatte es Murdoch nicht leicht gehabt, sich gegen seine Gegner durchzusetzen. Diese hatten bei einer kleinen Palastrevolution ins Feld geführt, Murdochs Verwicklung in die Abhör- und Bestechungsaffäre könne dem Ruf des Unternehmens schaden. BSKYB gehört zu 39 Prozent der News Corporation von Rupert Murdoch (81). James Murdoch hatte den Posten seit 2007 inne. Murdoch musste wegen der Affäre sein Ansinnen aufgeben, die restlichen Anteile an BSkyB, das neben Bezahlfernsehen (darunter Sky Deutschland ) auch Free-TV und Telekommunikation betreibt, aufzukaufen.
Wann von illegalen Praktiken erfahren?
Auch der Rückzug des 39-Jährigen wird als Reaktion auf die Vorwürfe gegen Murdoch in der Affäre um abgehörte Telefone und bestochene Polizisten gewertet. Die inzwischen eingestellte Murdoch-Zeitung «News of the World» sowie das Boulevardblatt «The Sun» sind in die Affäre verstrickt. Auch im von BSKYB betriebenen Bezahlfernsehen soll es Unregelmässigkeiten gegeben haben, was Murdoch allerdings bestreitet. James Murdoch steht im Verdacht, vor einem Parlamentsausschuss zur Untersuchung der Affäre nicht die volle Wahrheit gesagt zu haben. Es ging um die Frage, wann er selbst von den illegalen Praktiken erfahren hat. Ende Februar hatte er seine Funktionen bei der Verlagstochter News International, die neben der «Sun» auch die «Times» und die «Sunday Times» herausgibt, aufgegeben und angekündigt, sich künftig für den Murdoch-Mutterkonzern News Corporation stärker von New York aus auf die Fernsehgeschäfte zu konzentrieren.
«Kronprinzen»-Rolle im Mutterkonzern wird fraglicher
Mit dem zweiten Rückzug innerhalb weniger Wochen wird auch James Murdochs Rolle als «Kronprinz» im Mutterkonzern seines Vaters immer fraglicher. Rupert Murdoch ist im Alter von 81 Jahren noch immer Vorstandschef, die Familie verfügt über die Mehrheit der Stimmrechte. Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn gilt jedoch spätestens seit deren unterschiedlicher Ansichten im Umgang mit der Abhöraffäre als zerrüttet. Ein ehemaliger Murdoch-Top-Journalist sprach am Dienstag von einer «persönlichen Tragödie». Murdoch müsse zurücktreten, weil andere Fehler gemacht hätten. (awp/mc/upd/ps)