Tokio – Japans Regierungschef Shinzo Abe will es nochmal wissen: Vorgezogene Neuwahlen sollen seine Position festigen. Der rechtskonservative Ministerpräsident sagte am Montag, er werde am Donnerstag das Unterhaus auflösen und damit den Weg für Neuwahlen freimachen.
Es wird erwartet, dass die Japaner am 22. Oktober ein neues Parlament wählen. Der seit Ende 2012 regierende 62-jährige Abe will die Gunst der Stunde nutzen, nachdem sich seine im Zuge von Skandalen gesunkenen Umfragewerte auch dank der Nordkorea-Krise wieder erholt haben.
Referendum über Nordkorea- und Wirtschaftspolitik
Abe ist neben der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel einer der am längsten amtierenden Regierungschefs führender Wirtschaftsnationen. Der Rechtskonservative erklärte, die Wahl werde ein Referendum über seine Nordkorea- sowie seine Wirtschaftspolitik sein.
«Wir müssen die Menschen und den Wohlstand dieses Landes schützen», sagte Abe. Er kündigte eine Umwidmung von mehr als zwei Billionen Yen (17 Milliarden Franken) Steuereinnahmen zugunsten der Sozialausgaben an. So soll die Vorschulerziehung sowie die Betreuung von Kleinkindern aus einkommensschwachen Haushalten kostenlos werden. Die Nordkoreakrise ermöglicht es Abe, sich als starke Führungsfigur zu präsentieren. Zudem profitiert er von schlechten Umfragewerten der oppositionellen Demokratischen Partei.
Konkurrenz aus eigenen Reihen
Allerdings bekommen er und seine Liberaldemokratische Partei (LDP) nun Konkurrenz durch eine neue konservative Partei der Gouverneurin von Tokio, Yuriko Koike. Sie kündigte am Montag offiziell an, neben ihrem Amt als Gouverneurin die Führung ihrer neuen «Partei der Hoffnung» zu übernehmen.
Die frühere Verteidigungsministerin gilt als mögliche Bedrohung für den Regierungschef, nachdem sie vor einem Jahr die Kommunalwahlen in Tokio gewonnen und damit Abes LDP eine historische Niederlage zugefügt hatte. Bis dahin gehörte sie selbst der LDP an. Koike präsentiert sich der Bevölkerung als Reformerin. Dabei wird sie ideologisch ebenfalls zum rechtskonservativen Lager gezählt.
Nach Umfragen liegt Abes LDP weit vor der bislang grössten Oppositionspartei der Demokraten. Einzelne prominente Mitglieder der LDP wie auch der Demokraten kündigten derweil an, zu Koikes Partei zu wechseln.
Überraschung möglich
Regulär stehen Wahlen erst in einem Jahr an. Eine Niederlage könnte zum Machtkampf in der LDP führen. Würde Abe zudem die Zwei-Drittel-Mehrheit im Unterhaus verlieren, wäre sein Ziel einer Revision der pazifistischen Verfassung in Frage gestellt. Kritiker werfen dem Ministerpräsidenten vor, mit seinem Schritt kritischen Fragen aus dem Weg zu gehen, die ihm im Parlament am Donnerstag im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen gedroht hätten.
Angesichts der Wahl-Überraschungen in anderen Ländern schliessen Beobachter nicht aus, dass Abes Vorhaben für ihn schiefgehen könnte. «Abes Spiel könnte eine grosse Überraschung bringen», sagte der unabhängige Analyst Minoru Morita. (awp/mc/pg)