Japanische Ärzte warnen vor Kollaps und fordern mehr Corona-Tests
Tokio – Japanische Ärzte haben angesichts der staatlichen Restriktion von Coronavirus-Tests vor einem Zusammenbruch des Gesundheitssystems gewarnt. Wie japanische Medien am Donnerstag berichteten, forderten Krankenhäuser in der Stadt Kyoto in einer gemeinsamen Erklärung den Staat auf, Coronatests mit öffentlichen Mitteln auch für Patienten zuzulassen, die keine Symptome aufzeigen. Angesichts steigender Infektionszahlen habe Regierungschef Shinzo Abe entschieden, den bisher nur für die Hauptstadt Tokio und einzelne andere Provinzen geltenden Notstand auf das ganze Land auszuweiten.
Bislang würden in Japan nur Coronatests bei Patienten von der Versicherung bezahlt, die Symptome wie Fieber haben, hiess es Als Folge dieser Politik könnten sich Ärzte und Krankenschwestern bei Operationen oder Geburten infizieren, wenn symptomlose Patienten das Virus in sich tragen, hiess es. Bei vielen Menschen führt eine Infektion mit Sars-CoV-2 zu keinen oder zumindest nur sehr milden Symptomen.
Vergleichsweise wenig Tests
Noch immer werden in der drittgrössten Volkswirtschaft der Welt viel weniger Tests durchgeführt als in anderen Ländern. Zwar habe Ministerpräsident Shinzo Abe am 7. April erklärt, dass sich der Staat bemühen werde, die Test-Kapazitäten auf täglich bis zu 20 000 zu erhöhen. In der Realität würden jedoch höchstens rund 7800 Tests am Tag durchgeführt, hatte die Tageszeitung «Asahi Shimbun» berichtet.
Dies liege unter anderem an veralteter Ausrüstung und einem Mangel an staatlichen Einrichtungen sowie Fachleuten, die solche Tests durchführen können. Vor diesem Hintergrund gingen einzelne lokale Behörden nun dazu über, privaten Einrichtungen zu erlauben, solche Tests durchzuführen.
Bis Donnerstag stieg die Zahl bestätigter Infektionen in Japan auf 9442, 192 Menschen starben, so der Fernsehsender NHK. Darunter sind 712 Infizierte und 13 Todesfälle unter Menschen, die sich auf einem Kreuzfahrtschiff befanden.
Notstand für den Grossraum Tokio
Vor wenigen Tagen hatte Regierungschef Abe für den besonders betroffenen Grossraum Tokio und einzelne andere Provinzen bis Anfang Mai den Notstand angeordnet und die Bürger aufgerufen, zu Hause zu bleiben. Doch handhabt Japan das laxer als Europa, Ausgangssperren gibt es keine. Entsprechend strömen weiter viele Pendler zur Arbeit, wenn auch mit Masken im Gesicht in etwas weniger gefüllten Zügen.
Nun habe Abe entschieden, den Notstand auf das ganze Inselreich auszuweiten, meldeten Medien am Donnerstag. Mit der Zahl der Coronavirus-Infizierten in Japan wächst auch die Kritik an dem rechtskonservativen Ministerpräsidenten. Seine Regierung habe durch das spärliche Testen die Fallzahlen lange Zeit kleingehalten und zu spät und zu wenig Massnahmen gegen die Ausbreitung angeordnet, kritisieren Mediziner und internationale Beobachter.
In Japan können sich Menschen nur auf das Coronavirus testen lassen, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen. So muss jemand mindestens vier Tage hintereinander Fieber von mindestens 37,5 Grad haben. Wer das nicht hat, aber dennoch befürchtet, sich infiziert zu haben, wird vom Staat aufgefordert, zu Hause zu bleiben beziehungsweise sich von der Familie zu isolieren. Mancher mietet daher ein Hotelzimmer an, muss das aber selber zahlen. (awp/mc/ps)