Tokio – Trotz der Folgen des internationalen Zollstreits hat sich Japans Wirtschaft zuletzt weit besser geschlagen als erwartet. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist laut Regierungsangaben von Juli bis September auf das Jahr hochgerechnet um 1,8 Prozent gewachsen. Selbst Experten wurden von dieser am Montag veröffentlichten revidierten Zahl auf dem falschen Fuss erwischt, da in einer ersten Schätzung lediglich ein Wert von 0,2 Prozent veranschlagt worden war.
Das höhere Wachstum resultierte aus grösseren Investitionsausgaben und einem Anstieg des privaten Verbrauchs, die zusammen die Schwäche der vom Handelskonflikt beeinträchtigten Ausfuhrwirtschaft mehr als wettmachten. Der private Verbrauch, der rund 60 Prozent des BIP ausmacht, stieg gegenüber den drei Vormonaten um 0,5 Prozent und lag damit leicht über dem vorläufigen Wert von 0,4 Prozent. Die Nettoexporte – also Ausfuhren abzüglich Einfuhren – drückten das BIP-Wachstum um 0,2 Prozentpunkte nach unten. Die Inlandsnachfrage erwies sich dagegen als Wachstumsmotor. Sie schob das BIP um 0,6 Prozentpunkte an.
Der Start ins vierte Quartal verlief jedoch wenig erfolgversprechend: Exporte und Industrieproduktion verzeichneten im Oktober ihre grössten Rückgänge seit Jahren. Die stark vom Export abhängige drittgrösste Volkswirtschaft der Welt kämpft mit sinkender globaler Nachfrage aufgrund des Handelsstreits zwischen den USA und China. Hinzu kommt, dass die Regierung von Ministerpräsident Shinzo Abe jüngst zur Sanierung der durch hohe Verschuldung gekennzeichneten Staatsfinanzen die Mehrwertsteuer erhöhte. Manche Experten befürchten, dass dadurch der private Konsum gehemmt wird, der die Konjunktur bislang stützt: «Die Wirtschaft wird wahrscheinlich im vierten Quartal schrumpfen», prophezeit Ökonom Takeshi Minami vom Norinchukin Research Institute.
Abe sorgt mit Konjunkturpaket vor
Um die heimische Wirtschaft vor einer Abwärtsspirale zu bewahren, hat Abe jüngst ein umfangreiches Konjunkturprogramm aufgelegt. Der Staat nimmt dafür umgerechnet 110 Milliarden Euro (13,2 Billionen Yen) in die Hand. Ergänzt werden diese Konjunkturspritzen durch staatliche Kredite und Kreditgarantien sowie private Investitionen, so dass Anschubhilfen für die Wirtschaft in Höhe von insgesamt fast 220 Milliarden Euro (26 Billionen Yen) zusammenkommen. Die Massnahmen zielen darauf ab, das Bruttoinlandsprodukt bis März 2022 um 1,4 Prozent nach oben zu treiben.
Die Mittel sollen unter anderem zum Wiederaufbau von Infrastruktur nach Naturkatastrophen wie etwa dem schweren Wirbelsturm «Hagibis» im Oktober genutzt werden. Zudem soll sichergestellt werden, dass die Wirtschaft auch nach den mit massiven Investitionen verbundenen Olympischen Spielen in Tokio im kommenden Jahr weiter nachhaltig zulegt. (awp/mc/ps)