Japans Premierminister Shinzo Abe.
Tokio – Die japanische Wirtschaft hat im zweiten Quartal weiter zugelegt, jedoch nicht so stark wie erwartet. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg zwischen April und Juni mit einer hochgerechneten Jahresrate von real 2,6 Prozent, wie die Regierung am Montag auf vorläufiger Basis bekanntgab. Ökonomen hatten mit einem noch stärkeren Anziehen gerechnet. Die Börse reagierte mit Abschlägen, der Nikkei-Index sank zum Wochenauftakt um 0,70 Prozent auf 13.519,43 Punkte und damit auf den tiefsten Stand seit eineinhalb Monaten.
Im Vergleich zu den vorangegangenen drei Monaten legte die Wirtschaft des Landes um 0,6 Prozent zu, wie die Regierung weiter mitteilte. Damit wuchs die drittgrösste Volkswirtschaft der Welt im nunmehr dritten Quartal in Folge. An den Finanzmärkten und unter Wirtschaftsexperten wird nun mit Spannung abgewartet, ob der rechtskonservative Ministerpräsident Shinzo Abe tatsächlich wie geplant die Verbrauchssteuer in zwei Schritten bis 2015 auf zehn Prozent verdoppeln wird. Die jüngsten Daten lassen es aus Sicht von Experten wahrscheinlicher werden, dass er die Steuern tatsächlich anhebt.
«Abenomics»
Die Wirtschaft sei dabei, sich stetig zu erholen, sagte Abe nach Bekanntgabe der BIP-Zahlen. Er will im Herbst entscheiden, ob er die Steuern anhebt. Mit seiner «Abenomics» genannten Wirtschaftspolitik hatte er dafür gesorgt, dass im Zuge massiver schuldenfinanzierter Konjunkturprogramme und einer drastischen Lockerung der geldpolitischen Zügel der Yen deutlich abgewertet wurde und dadurch die Ausfuhrerlöse zulegten. Die Exporte des Landes erhöhten sich im Berichtsquartal um 3,0 Prozent und damit im zweiten Quartal in Folge.
Der Privatkonsum, der in Japan zu rund 60 Prozent zur Wirtschaftsleistung des Landes beiträgt, stieg um real 0,8 Prozent und damit im dritten Quartal hintereinander. Zwar fielen die BIP-Zahlen insgesamt schwächer aus als erwartet, dennoch stieg die Nachfrage im In- und Ausland nach Einschätzung von Experten deutlich an. Damit sei es eher unwahrscheinlich, dass Abe eine Steueranhebung verschiebe. Experten halten höhere Steuern angesichts der gigantischen Staatsverschuldung für unausweichlich. Kritiker befürchten jedoch, dass dadurch die konjunkturelle Erholung abgewürgt werden könnte.
Teil der geplanten Strukturreformen noch nicht umgesetzt
Experten der NordLB zeigten sich hingegen optimistisch mit Blick auf die weitere konjunkturelle Entwicklung in Japan. Sie nannten das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal «hervorragend». Die Wachstumspolitik («Abenomics») der Regierung unter Premier Abe verliere trotz eines schwächeren Wachstums in den Monaten April bis Juni noch nicht an Glanz, heisst es in einer Analyse. «Ein robuster Konsum und die Zunahme der Exporte zeigen die Wirkung des Masterplans des Premierministers.» Ein Teil der geplanten Strukturreformen sei noch nicht auf den Weg gebracht, schreiben die Experten der NordLB. «Wir sind optimistisch, dass Japan auf einem robusten Wachstumspfad bleiben wird.» (awp/mc/upd/ps)