Jean Ziegler im NZZ-Interview: «Der Kapitalismus hat eine kannibalische Weltordnung geschaffen»
Für die einen ist Jean Ziegler ein Held, der für die Verdammten dieser Erde kämpft, für die anderen ein Nestbeschmutzer und gefährlicher Ideologe: ein Hausbesuch beim Berufsrevolutionär und Bestsellerautor.
Lucien Scherrer und Marc Tribelhorn, NZZ
Draussen lärmt ein Nachbar mit der Motorsäge, und auch Jean Ziegler wird gerade etwas lauter. «Warum seid ihr so uneinsichtig, beim Zustand dieser Welt?», ruft er aus, «was wollt ihr denn? Entweder seid ihr auf meiner Seite oder halt neoliberale Halunken!» Ziegler sitzt auf einem geblümelten Stubensofa, geschlagene drei Stunden hat er geredet, gespottet und geätzt; über die «Diktatur des Finanzkapitals», über «Bankenbanditismus» und all die «unmöglichen Siechen», die seiner Meinung nach den Planeten zerstören. Obwohl er kürzlich seinen 85. Geburtstag gefeiert hat, zeigt der streitbare Soziologe, emeritierte Professor, Beirat des Uno-Menschenrechtsrats, Bestsellerautor und Berufsrevolutionär keine Spur von Altersmilde. Vielmehr ist er radikaler denn je.