Amazon-Gründer Jeff Bezos will US-Präsident Donald Trump vor Gericht sehen – wegen eines verweigerten Milliardenauftrags. Tatsächlich geht es um viel mehr: Wer hat das grössere Ego?
Die meisten Fälle, mit denen sich Richterin Patricia Campbell-Smith beschäftigt, sind eher dröge: Streitigkeiten der US-Regierung mit Lieferanten, Gerangel um Regierungsaufträge, Entschädigungsforderungen von Bürgern. Nun aber liegt auf dem Schreibtisch der 54-Jährigen am US Court of Federal Claims in Washington ein explosives Dokument: Auf Seite 37 beantragen die Kläger, den Präsidenten der Vereinigten Staaten unter Eid befragen zu dürfen. Die Juristin ist damit in den Kampf zwischen zwei Männer geraten, die beide auf ihre Weise die Geschicke Amerikas mitbestimmen: Amazon-Gründer Jeff Bezos und Donald Trump. Der reichste Mann der Welt gegen den Amtsinhaber im Weissen Haus.
Formal geht es in dem Gerichtsverfahren um einen Zehn-Milliarden-Dollar-Auftrag, den das Verteidigungsministerium an den Amazon-Konkurrenten Microsoft vergeben hat. Mit dem Projekt Jedi will das Pentagon mittels Cloud-Speicher ein zentralisiertes Computersystem installieren. Nach der Ausschreibung des Vorhabens im Sommer 2018 galt in der Branche schnell als ausgemacht, dass der Marktführer Amazon Web Services den Zuschlag für das prestigeträchtige Projekt bekommen würde. Schliesslich lagert auch die CIA ihre Daten seit Jahren in der Wolke des Online-Giganten. Doch in einer für viele Experten überraschenden Kehrtwende entschied sich die Regierung schliesslich für Microsoft.
«Persönliche Vendetta»
Aus Sicht des unterlegenen Bieters gibt es dafür nur eine plausible Erklärung: Trumps «persönliche Vendetta gegen Mr. Bezos, Amazon und Washington Post», die dem Entrepreneur gehört. In seiner 103-seitigen Klageschrift hat der Konzern Dutzende Trump-Tweets, Äusserungen und Belege zusammengetragen, die den Vorwurf erhärten sollen.