Jean-Claude Juncker.
Hamburg – Der europäische Fiskalpakt muss auch nach Auffassung des Euro-Gruppenchefs Jean-Claude Juncker um impulsgebende Massnahmen für Wachstum ergänzt werden. «Dann haben wir eine schlüssige Antwort auf die Schuldenkrise», sagte Juncker in Hamburg. Er rechne mit konkreten Ergebnissen dazu in den nächsten Monaten. Unter anderem macht sich der französische Präsidentschaftskandidat François Hollande für einen solchen Wachstumspakt stark. «Es ist ein echtes Thema, aber kein neues», sagte Juncker.
Wenn sich künftig alle 27 EU-Mitgliedsstaaten an das Vertragswerk des Fiskalpaktes hielten, dann wäre die logische Schlussfolgerung die Einführung von Eurobonds, also gemeinschaftlichen Staatsanleihen. «Das dauert aber noch sehr lang – die Zeit ist noch nicht gekommen», ergänzte Juncker. Er war auf Einladung des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» und der Körber-Stiftung, die gemeinsam das politische Gespräch «Der Montag an der Spitze» veranstalten, in die Hansestadt gekommen.
Haushalte konsolidieren allein reicht nicht
Der dienstälteste EU-Regierungschef aus Luxemburg machte vor den Zuhörern deutlich, dass hohe Staatsverschuldung nicht allein durch Haushaltskonsolidierung verringert werden könne, obgleich diese optionslos sei. Die Frage sei, wie trotz Sparens Wachstum erreicht werde. «Wir haben Wege», sagte Juncker. In Brüssel stünden Strukturmittel bereit, die nicht abgerufen würden. Auch eine Kapitalerhöhung der Europäischen Investitionsbank um 10 Milliarden auf 60 Milliarden Euro könnte aufgrund der Hebelwirkung das Dreifache an Investitionsvolumen auslösen. Zu Wachstum gehörten auch Strukturreformen, beispielsweise im Arbeitsmarkt oder in Administrationen.
«Wir brauchen mehr Europa, sonst wäre alles noch viel schlimmer», sagte der Euro-Gruppenchef und warnte zugleich: «Wir machen Europa kaputt mit Vereinheitlichung. Wir müssen sensibel umgehen mit den Menschen.» Dass seine siebenjährige Amtszeit nicht immer einfach war, zeigte sich in einem knappen «Ja» als Antwort Junckers auf die Frage, ob es bei ihm Verbitterung über deutsch-französische Einmischungen gebe. «Es wäre einfacher gewesen, wenn die Zuneigung pausenlos spontaner gewesen wäre.»
Nachfolge: Schäuble bleibt im Gespräch
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble als ein möglicher Nachfolger Junckers als Euro-Gruppenchef hätte seine volle Unterstützung. «Er weiss, wovon er bei Euro-Angelegenheiten redet», sagte der Amtsinhaber. «Er (Schäuble) ist der Europäer am Kabinettstisch in Berlin.» (awp/mc/pg)