Der Kapitän geht als Letzter von Bord: Diesen Ehrenkodex brach 2012 der Italiener Francesco Schettino. Nun feiert das Land in der Coronakrise seinen «Anti-Schettino».
3700 Menschen hatte er vorgelassen. Sie alle konnten vor Gennaro Arma das schwimmende Gefängnis verlassen, zu dem das Kreuzfahrtschiff «Diamond Princess» nach Ausbruch des Corona-Virus geworden war.
Ein Traumschiff, dessen Reise zum Albtraum wurde, weil sich der Luxusliner vor der Küste Tokios ungewollt in eine Quarantäne-Station auf See verwandelte. Wochenlang durften – vielfach kritisiert – viele Passagiere das Schiff nicht verlassen. Hunderte erkrankten an Bord, sechs Menschen starben. Und der Italiener Gennaro Arma, der Kapitän, hatte die undankbare Aufgabe, Panik zu verhindern und die Passagiere bei Laune zu halten.
Die «Diamond Princess» wurde schnell zu einem Symbol der Epidemie: Es stand für das Ende der unbeschwerten Zeiten. Kapitän Arma, der am 1. März 2020 in Uniform und mit Atemschutzmaske als Letzter sein Schiff verließ, wird nun zunehmend selbst zu einer Symbolfigur. Nicht nur seine Reederei feiert ihn als «Helden», sondern auch viele ehemalige Passagiere loben ihn in den sozialen Netzwerken in den höchsten Tönen. Italien ächzt unter Corona, Millionen sitzen in Sperrbezirken fest – da hilft jemand wie Arma, der offensichtlich vieles richtig gemacht hat.
Dabei hat der gefeierte Kapitän im Grunde nur einen alten Ehrenkodex befolgt, der eng verknüpft ist mit der Regel «Frauen und Kinder zuerst». Dieses ungeschriebene Gesetz gilt in der Seefahrt seit dem 19. Jahrhundert. Doch wie kam es dazu?