Katalanisches Parlament will Reaktion auf Zwangsmassnahmen beraten
Barcelona – Nach der Ankündigung von Zwangsmassnahmen gegen die separatistische Regionalregierung von Katalonien wird das Parlament in Barcelona am Donnerstag über eine «Antwort» an die Zentralregierung in Madrid beraten. Eine Plenarsitzung des Parlaments sei für den 26. Oktober angesetzt worden, teilten Sprecher des Regierungsbündnisses Junts pel Sí (Gemeinsam fürs Ja) am Montag in der katalanischen Hauptstadt mit. Zu den von Madrid angekündigten Massnahmen gehört die Absetzung der Regionalregierung sowie die Ausrufung von Neuwahlen innerhalb von sechs Monaten.
Die Sitzung des Parlaments in Barcelona findet somit nur einen Tag vor einem Plenum im spanischen Senat in Madrid statt, bei dem die zweite Parlamentskammer am Freitag über eine Billigung der Zwangsmassnahmen abstimmen wird. Das grüne Licht gilt als Formsache, da die konservative Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy im Senat über eine ausreichende Mehrheit der Sitze verfügt.
Ausrufung der Unabhängigkeit …
Das Regionalparlament in Barcelona könnte am Donnerstag auf Antrag des katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont die Unabhängigkeit der Region ausrufen. Bei der Zurückweisung des letzten Ultimatums aus Madrid zur Beendigung der Loslösungsbestrebungen hatte Puigdemont am Donnerstag gewarnt, die Anwendung von Zwangsmassnahmen könne Katalonien zu einer Unabhängigkeitserklärung bewegen.
Bei einer solchen Erklärung würde Puigdemont allerdings eine Inhaftierung riskieren. Generalstaatsanwalt José Manuel Maza sagte am Wochenende, die oberste Anklagebehörde habe für diesen Fall bereits einen Strafantrag wegen Rebellion in der Schublade. Sollte es zu einer Anklage kommen, könnte Puigdemont nach spanischem Gesetz zu einer Haftstrafe von bis zu 30 Jahren verurteilt werden.
… oder von Neuwahlen?
Eine Möglichkeit wäre auch, dass das katalanische Parlament am Donnerstag Madrid zuvorkommt und selber Neuwahlen ausruft. Der katalanische Regierungssprecher Jordi Turull sagte jedoch, eine solche Möglichkeit stehe «noch nicht zur Debatte». Die Separatisten könnten auch juristische Schritte wie die Anfechtung der Zwangsmassnahmen vor dem Verfassungsgericht in Madrid beschliessen.
Rajoy hatte die Massnahmen zur «Wiederherstellung der Rechtmässigkeit und des friedlichen Zusammenlebens» in Katalonien, wie er sagte, am Samstag bekanntgegeben. Sie wurden bei einem ausserordentlichen Treffen des Ministerrats im Rahmen des Verfassungsartikels 155 beschlossen, der in Spanien bisher nie zur Anwendung gekommen war.
Neben der Absetzung der Regionalregierung und der Vorbereitung von Neuwahlen will Madrid die Befugnisse des Regionalparlaments bis zur Auflösung stark einschränken. Zudem will die Zentralregierung unter anderem auch die Kontrolle über die Polizei, die Finanz- und andere Behörden und auch über amtliche katalanische Medien übernehmen.
Puigdemont wies die Massnahmen als «inakzeptablen Angriff auf die Demokratie» zurück. Man werde «weiter kämpfen», beteuerte er am Wochenende. Bei der Zurückweisung eines letzten Ultimatums aus Madrid hatte der 54-Jährige liberale Politiker am Donnerstag gewarnt, die Anwendung von Zwangsmassnahmen könne Katalonien zu einer Unabhängigkeitserklärung bewegen. Am Samstag protestierten rund 450 000 Anhänger der Sezessionsbewegung in Barcelona gegen Madrid sowie gegen die Inhaftierung von zwei führenden Aktivisten.
Puigdemont hatte am 1. Oktober ungeachtet eines Verbots durch das Verfassungsgericht und gegen den Willen Madrids ein «verbindliches Referendum» über die Unabhängigkeit abgehalten. Rund 90 Prozent der Teilnehmer stimmten für eine Abspaltung von Spanien. Die Wahlbeteiligung lag allerdings nur bei gut 40 Prozent. Rajoy sagte am Samstag, keine Regierung dürfe akzeptieren, «dass das Gesetz verletzt und ignoriert wird». (awp/mc/ps)