Noch bleibt offen, wohin die von Kairos Tahrir-Platz ausgehende Protestwelle die arabische Welt führen wird. (Bild: gaf)
Unter dem Eindruck unermüdlicher Proteste in Mittelost und Nordafrika kratzt der Preis für das Fass Öl der Sorte US Light Crude wieder an der 100-Dollar-Marke.
Das militärische Patt in Libyen, wo Rebellen mit NATO-Luftunterstützung den Ostteil und Gaddafi den Westen des Landes kontrollieren, ist primär für die erneute Enegiepreis-Rally veantwortlich. Eliane Tanner, Rohstoffe-Expertin bei Bank Sarasin & Cie. sagt, durch die Kämpfe fehlten dem Weltmarkt täglich 1,3 Millionen Fass pro Tag. «Solange nicht klar ist, ob und wie lange Gaddafi an der Macht bleibt, wird sich die Situation auf dem Ölmarkt nicht verbessern.»
Mit jeweils drei Millionen Fass Öl unterstützen jetzt Saudiarabien und die Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) den Jemen. Dort haben im März Aufständische mehrere Ölpipelines zerstört, um die Regierung um den inzwischen nach Saudiarabien geflohenen Präsidenten Ali Abdullah Saleh zu schwächen. «Wir werden weiter demonstrieren bis das Regime unter Saleh’s Vize und jetzt amtierenden Staatschef Abd Rabu Mansur Hadi (Volksmund: Abdu Radu who?) komplett verschwindet. Wir werden auch im August während des Fastenmonats Ramadn protestieren», rufen die Demonstranten auf den Strassen von Sana’a und Aden.
Da nutzt es auch nichts, dass die Temperaturen von Marokko, bis an den Persischen Golf schon im Morgengrauen über 45 Grad Celsius ansteigen. Es geht ans Eingemachte in Nahost. In Syrien klammert sich das Assad-Regime an der Macht, eine eher auf dem Land konzentrierte Opposition fordert mit Gewalt deren Rücktritt. Sporadische Frust-Demonstrationen ereignen sich ebenso in Bahrain und Jordanien.
Selbst Tunesien und Ägypten, wo die Massen der Jungrevolutionäre – wohl auch zu deren eigener Verblüffung – ihre Präsidenten Ben Ali und Mubarak zu Jahresbeginn im Handstreich von der Macht vertrieben, bleibt die Lage instabil, zum Leidwesen der kaputten Tourismusindustrie in beiden Ländern. In Tunis drohen jugendliche Demonstranten der Interims-Regierung mit einem Aufstand, sollte es mit Israel diplomatische Beziehungen aufnehmen. „Solange eine israelische Soldateska die Palästinenser im Westjordanland und im Gaza-Streifen unterdrückt und drangsaliert, verdient Israel keine Beachtung,“ lautet die Parole
Die Hitze des Arabischen Frühlings bekommt Israel immer mehr zu spüren. Kairo nimmt gerade wieder Beziehungen zu Teheran auf, nach über 30 Jahren diplomatischer Funkstille. «Ägypten wird Israel nicht mehr so in Ruhe lassen, wie unter Mubarak,» kündigt selbst der besonnen Ex-Atomenergiechef Mohammed El-Baradei, der mit einem Ministeramt in der nächsten gewählten Regierung liebäugelt. Eine Kabinettsumbildung vom Sonntag kann neue Proteste auf Kairos Tahrir-Platz kaum eindämmen, angesichts einer Jugendarbeitslosigkeit von über 60 Prozent bei 84 Millionen Ägyptern. Denn noch regieren am Nil die Militärs ad interim unter Feldmarschall Tantawi.
Schon wird in Tel Aviv diskutiert, den Frieden von Camp David über Bord zu werfen und die ägyptische Halbinsel Sinai zu besetzen. Ein solches Unternehmen wäre militärischer und ökonomischer Wahnsinn. Israel müsste dann ein Gebiet kontrollieren, das drei Mal so gross ist wie sein eigenes Territorium, und der Suez-Kanal würde für die internationale Frachtschifffahrt gesperrt. Wohl deshalb wollen Ägypten und Saudiarabien jetzt eine 32 Kilometer lange Brücke bauen, die über den Südteil des Roten Meeres beide arabischen Länder miteinander verbindet. (gaf)