Staatspräsident Napolitano ruft die Parteien zur Verantwortung auf.
Rom – Angesichts der schwierigen Regierungsbildung in Italien hat Staatschef Giorgio Napolitano die Parteien dazu aufgerufen, Verantwortung zu übernehmen. Er empfehle «Mass, Realismus und Verantwortungsbewusstsein» auch in der Vorbereitungszeit, erklärte er in einer Stellungnahme. Eine Woche nach den Wahlen ist in Italien noch keine stabile Regierung in Sicht, nachdem die Parteien mehrere Koalitionsoptionen ausgeschlossen haben. Der Populist Beppe Grillo mit seiner Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) sieht das Land sogar auf einen Kollaps des politischen Systems zusteuern.
Der Chef des Mitte-Links-Bündnisses, Pier Luigi Bersani, schloss ein Zusammengehen mit den Mitte-Rechts-Parteien von Silvio Berlusconi erneut aus. Grillo will seinerseits nicht mit Bersanis Lager regieren. Das Mitte-Links-Bündnis hatte bei den Wahlen im Abgeordnetenhaus die Mehrheit der Sitze gewonnen, braucht wegen der fehlenden Mehrheit im Senat aber einen Koalitionspartner. Eine Minderheitsregierung, wie sie Bersani ins Spiel gebracht hatte, lehnt Napolitano laut Medienberichten vom Sonntag ab.
Verantwortung und Mässigung
Der Staatschef sagte, er erwarte von den Politikern die Übernahme von Verantwortung und Mässigung in der Debatte über eine Regierungsbildung. Verfrühte Festlegungen sollten im Interesse des Landes und des Bildes Italiens im Ausland vermieden werden, verlangte er am Samstag in Rom. Es liege an ihm, bei den geplanten Konsultationen eine «unabhängige Bewertung» der Pattsituation im Parlament vorzunehmen.
«Ich gebe den alten Parteien noch sechs Monate»
Grillo rechnet unterdessen mit einem Zusammenbruch des politischen Systems in Italien. «Ich gebe den alten Parteien noch sechs Monate – und dann ist hier Schluss», sagte er dem Nachrichtenmagazin «Focus». «Dann können sie die Renten nicht mehr zahlen. Und auch die öffentlichen Gehälter nicht mehr.» Die Altparteien wollten keine ernsthaften Reformen. «Sie bluffen nur, um Zeit zu gewinnen.» Grillo kündigte erneut an, im Internet über Italiens Verbleib in der Euro-Zone abstimmen lassen zu wollen.
Neuwahlen im Juni?
Die Tageszeitung «La Stampa» berichtete am Sonntag, Bersanis «Plan B» seien Neuwahlen im Juni. Der frühere Chef von Bersanis Demokratischer Partei (PD), Walter Veltroni, sagte, eine Einigung mit Grillo sei kaum absehbar, weshalb vorzeitige Wahlen oder eine Übergangsregierung die einzigen Auswege seien.
ESM-Chef hofft auf weiterführung der Reformen
Der Chef des Rettungsschirms ESM, Klaus Regling, hofft, dass die Reformen der alten Regierung von Mario Monti fortgesetzt werden. «Gelingt das, wird das Land Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen und zum Wachstumskurs zurückfinden», sagte er der «Wirtschaftswoche».
Staatschef Napolitano wird voraussichtlich in der zweiten Märzhälfte die Parteien vor einem Auftrag zur Regierungsbildung konsultieren. Das Parlament kommt Mitte März zur konstituierenden Sitzung zusammen. (awp/mc/pg)