Koalitionsvertrag der deutschen Ampelregierung steht

Koalitionsvertrag der deutschen Ampelregierung steht
Annalena Baerbock (Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP).

Berlin – Corona-Krise und aussenpolitische Spannungen: Die Ampel-Parteien starten mit grossen Herausforderungen in ihre gemeinsame Regierungsarbeit. Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigte am Dienstag in Berlin nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages mit Grünen und FDP, es müsse alle nötige Kraft für die Bewältigung der Corona-Pandemie in Deutschland gesteckt werden.

Am Mittwoch sollte Scholz im Bundestag zum Kanzler gewählt und sein Kabinett vereidigt werden. Damit endet nach 16 Jahren die Ära von Angela Merkel (CDU), die bei der Bundestagswahl am 26. September nicht wieder kandidiert hatte. Die SPD war als Siegerin aus der Abstimmung hervorgegangen.

Nicht Geimpfte einschränken
Scholz verteidigte Einschränkungen für Ungeimpfte als Mittel zum Brechen der vierten Corona-Welle. «Das heute uns alle beeinträchtigende Infektionsgeschehen rührt von den Ungeimpften her», sagte er. Ganz klar sei es deshalb, dass Einschränkungen für diejenigen, die sich nicht haben impfen lassen, nötig seien. Er kritisierte Drohungen, wie sie es in Form eines Fackelaufmarsches vor dem Haus der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) gegeben hatte.

Entsprechend äusserte sich FDP-Chef Christian Lindner. «Unser Staat ist eine wehrhafte Demokratie», betonte er. Lindner vertrat die Ansicht, dass das durch die Ampel-Mehrheit im Bundestag geänderte Infektionsschutzgesetz zu einer gesellschaftlichen Befriedung beitragen könne. Denn wenn es auch künftig Grundrechtseingriffe im Kampf gegen Corona brauche, dann würden diese auf Basis von Parlamentsgesetzen vorgenommen und in öffentlicher Sitzung diskutiert.

Besorgt über russischen Truppenaufmarsch
Scholz zeigte sich auch besorgt über den russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine. Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa setzten Prinzipien voraus, die in der Entspannungspolitik ausgehandelt worden seien und bis heute fortwirkten. «Dazu gehört die Unverletzlichkeit und Unverletzbarkeit der Grenzen. Es ist ganz, ganz wichtig, dass niemand in den Geschichtsbüchern wälzt, um Grenzen neu ziehen zu können», sagte Scholz. Eine Bedrohung der Ukraine sei inakzeptabel.

Vor dem Hintergrund des EU-Streits um Rechtsstaatlichkeit in Polen und Ungarn warnte Scholz vor einer weiteren Spaltung Europas. Mit Blick auf Polen sagte er, für die kommende Bundesregierung sei es «ganz wichtig, diese Nachbarschaft freundschaftlich zu gestalten. Polen ist eine grosse Nation, eine Demokratie.» Er sei sehr froh, dass Polen Teil der EU sei und man sich dort miteinander abstimme und auch manchmal miteinander ringen könne.

Ausbau der erneuerbaren Energien ein «Langstreckenlauf»
Der künftige Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck bezeichnete den geplanten deutlich schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien als grosse Kraftanstrengung. Der Grünen-Politiker sagte, bei allen «Sonntagsreden», die es immer gebe für mehr Klimaschutz und den Ausbau der erneuerbaren Energien – dies werde «nicht ohne Zumutung» zu haben sein. Habeck sagte, der Ausbau werde ein «Langstreckenlauf». Die neue Regierung plant, den Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch auf 80 Prozent im Jahr 2030 zu erhöhen.

Der Bund wird nach Einschätzung Lindners, der künftig Finanzminister sein soll, im kommenden Jahr nicht mehr Kredite aufnehmen müssen als bisher geplant. Die Finanzplanung des bisherigen Finanzministers Scholz sei vorausschauend gewesen und enthalte auch Reserven für Unvorhergesehenes während der Corona-Pandemie, sagte Lindner.

Scholz hatte geplant, im kommenden Jahr wegen der anhaltenden Corona-Krise noch einmal 99,7 Milliarden Euro an neuen Schulden aufzunehmen. Dafür soll erneut die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ausgesetzt werden. Ab 2023 solle die Schuldenbremse dann wieder eingehalten werden, betonte Lindner. Zugleich sollten aber nicht genutzte Kredite aus diesem Jahr in die Folgejahre übernommen werden, so dass mehr Spielraum besteht. Das sei gerechtfertigt, weil notwendige Massnahmen zum Klimaschutz und der Modernisierung des Staates wegen der Pandemie nicht so umgesetzt werden konnten wie geplant.

Nach SPD und FDP hatten am Montag auch die Grünen dem 177 Seiten starken Koalitionsvertrag zugestimmt. Er trägt den Titel «Mehr Fortschritt wagen». Zur Unterzeichnung ihres Koalitionsvertrags hatten die drei Partner einen symbolträchtigen Ort ausgewählt, das Berliner Futurium, ein Zentrum für Ausstellungen zum Thema Zukunftsgestaltung.

In ihrem über Wochen ausgehandelten Vertrag versprechen die Ampel-Parteien unter anderem grosse Anstrengungen beim Klimaschutz. So soll die Industrieproduktion in Deutschland klimaneutral werden. Zugleich sind Verbesserungen etwa für Geringverdiener, Mieter und Familien vorgesehen. (awp/mc/ps)

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