Zürich – Dank einer dynamischen Weltwirtschaft und der damit einhergehenden hohen Exportnachfrage ist der Euroraum weiter auf Expansionskurs. In den ersten beiden Quartalen des laufenden Jahres dürfte der Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) mit 0,6% ein ähnliches Tempo wie Ende 2017 erreichen, bevor er sich im 3. Quartal wohl leicht auf 0,5% abschwächen wird. Dies zeigt der Wirtschaftsausblick für die Eurozone, der u.a. von der Konjunkturforschungstelle der ETH Zürich erstellt wird.
Treibende Kraft sind die Investitionen, die von günstigen Finanzierungsbedingungen und der noch immer steigenden Kapazitätsauslastung befeuert werden. Ihr Zuwachs wird sich im 1. Quartal 2018 beschleunigen, bevor die Dynamik zur Jahresmitte leicht abflaut. Durch die zunehmende Verbesserung der Lage auf dem Arbeitsmarkt dürften auch die privaten Konsumausgaben weiter deutlich zulegen. Ein Anziehen der Inflation wird erst zur Jahresmitte erwartet.
Starke Weltwirtschaft
Unterstützt von einem dynamischen Welthandel bleibt die Expansion der Weltwirtschaft weiterhin stark und stützt sich dabei auf ein breites Fundament. Nach OECD Daten stieg die reale Wirtschaftsleistung in den G20 Ländern im Jahr 2017 um 3,8%, nach 3,2% im Jahr 2016. Für die fortgeschrittenen Volkswirtschaften bleiben die Wachstumsaussichten weiterhin positiv und auch für einige Schwellenländer, unter anderem für China, haben sie sich verbessert.
Investitionen treiben stabile Expansion
Im 4. Quartal 2017 nahm das BIP im Euroraum um 0,6% und damit etwas weniger stark als in den beiden Quartalen zuvor (+0,7% im Q2 und Q3 2017) zu. Die Expansion wurde von den Exporten und den Investitionen getrieben, die jeweils einen Beitrag von +0,9 und +0,2 Prozentpunkten leisteten. Im Gegensatz dazu nahm der private Konsum etwas schwächer zu als in den vorangegangenen Quartalen.
Mit Ausnahme der Dienstleister verschlechterte sich im Februar in allen Wirtschafsbereichen die Stimmung (Economic Sentiment Indicator). In der Industrie war der Rückgang vor allem auf die stark gesunkenen Produktionserwartungen zurückzuführen. Nachdem die Industrieproduktion (ohne Bau) im Q4 2017 kräftig um 1,5% zugelegt hatte, sank sie im Januar 2018 um 1%. Ursache war die geringere Produktion von Energie, Konsum- und Vorleistungsgütern, während sich der Ausstoss von Kapitalgütern stark erhöhte. Im weiteren Prognosezeitraum dürfte die Industrieproduktion wieder zulegen, wenngleich sich die Dynamik wohl etwas abschwächen wird (+0,9% im Q1 2018, +0,7% im Q2 und +0,5% im Q3).
Das Verbrauchervertrauen verschlechterte sich im Februar deutlich, nach einem starken Anstieg im Januar. Die Erwartungen der Haushalte, sowohl im Hinblick auf die allgemeine wirtschaftliche Lage als auch im Hinblick auf ihre finanzielle Situation, gingen jedoch nur leicht zurück. Insgesamt liegt das Niveau des Verbrauchervertrauens jedoch weiterhin deutlich überseinem langfristigen Durchschnitt, was im Einklang mit der verbesserten Lage auf dem Arbeitsmarkt steht. Die Anzahl der Beschäftigten erhöhte sich im Q4 2017 um 0,3%, und die Arbeitslosenquote blieb mit 8,6% unverändert auf dem niedrigsten Stand seit 2008. Im Prognosezeitraum dürften die privaten Konsumausgaben weiter stabil zulegen (+0,5% im Q1 und Q2 sowie +0,4% im Q3).
Verbesserte Kreditvergabebedingungen im Euroraum und das Ergebnis des jüngsten Bank Lending Survey der EZB deuten nach wie vor auf eine Expansion der Investitionen hin. Unterstützt von der expansiven Geldpolitik der EZB und einem zunehmenden Anstieg der Kapazitätsauslastung im Verarbeitenden Gewerbe sollten die Investitionen im Prognosezeitraum weiterhin schwungvoll zulegen (+1% im Q1, +0,9% im Q2 und +0,7% im Q3).
Alles in allem dürfte der Zuwachs des BIP in den ersten beiden Quartalen des laufenden Jahres ein ähnliches Tempo wie Ende 2017 erreichen (+0,6%), bevor er sich im 3. Quartal wohl leicht abschwächen wird (+0,5%).
Inflation zieht an
Die Zunahme des harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) schwächte sich seit November 2017 gleichmässig auf 1,1% im Februar ab. Die Kerninflationsrate (HVPI ohne Energie und unverarbeitete Nahrungsmittel) verharrte in den ersten beiden Monaten des laufenden Jahres bei 1,2%. Im Prognosezeitraum dürfte sich der Preisauftrieb als Folge der starken wirtschaftlichen Expansion wieder beschleunigen. Unternehmensbefragungen der EUKommission deuten darauf hin, dass die Preiserwartungen der Industriefirmen im Februar weiter aufwärts gerichtet bleiben. Auch die Inflationserwartungen der Verbraucher zeigten nach einem kräftigen Anstieg im Januar lediglich einen kleinen Rückgang im Februar.
Unter der Annahme, dass sich im Prognoseverlauf der Rohölpreis bei 66 USD pro Barrel stabilisiert und dass der Wechselkurs des Euro unverändert bei 1,23 US-Dollar bleibt, dürfte die Inflationsrate im Q1 bei 1,3% liegen, bevor sie im Q2 auf 1,6% und im Q3 auf 1,7% steigen wird.
Risiken für die Schubkräfte der Expansion
Der Ausstieg der Europäischen Zentralbank aus dem Anleiheankaufprogramm könnte Spannungen an den Finanzmärkten hervorrufen. Eine Verschlechterung der Kreditvergabebedingungen wäre die Folge, mit negativen Auswirkungen auf die Entwicklung der Investitionen. Auch die drohende Einführung von Importzöllen auf Rohstoffe durch die Regierung der Vereinigten Staaten und mögliche Gegenmassnahmen durch seine Handelspartner könnten den Welthandel beeinträchtigen. Schliesslich könnte die Aufwertung des Euro, die Anfang 2017 einsetzte, die Expansion der Exporte stärker dämpfen, als hier angenommen. Weiterhin bleiben auch politische Risiken bestehen, die sich aus dem unsicheren Ausgang der Brexit- Verhandlungen, dem Wahlergebnis in Italien und den geopolitischen Spannungen im Nahen Osten ergeben. (KOF/mc/pg)