Zürich – Der KOF Globalisierungsindex 2014 widerspiegelt die ökonomische, soziale und politische Globalisierung des Jahres 2011 – ein Jahr, geprägt durch den Arabischen Frühling, die Atomkatastrophe von Fukushima und die Schulden- und Vertrauenskrise im Euroraum. Der Index zeigt, dass die Globalisierung seit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 keine Fortschritte mehr gemacht hat. Gesunken ist der Grad der Globalisierung im nördlichen und südlichen Afrika und dem Nahen und Mittleren Osten. Leicht gestiegen ist der Index für Ostasien. In den übrigen Regionen stagnierte die Globalisierung 2011.
Im Jahr 2011 war gemäss dem KOF Globalisierungsindex Irland das am stärksten globalisierte Land der Welt. In der letztjährigen Ausgabe war Belgien der Spitzenreiter. Allerdings sind die diesjährigen Indexwerte mit den vor einem Jahr publizierten aufgrund der Erhebungsmethodik nicht direkt vergleichbar. Basierend auf den neusten Informationen war Irland bereits 2010 die Nummer 1, vor Belgien. Auf den nächsten Plätzen folgen – wie schon im Vorjahr – die Niederlande, Österreich und Singapur. Dänemark und Schweden tauschen die Plätze 6 und 7. Portugal bleibt achter. Ungarn gewinnt einen Rang und steht neu auf Platz 9 – vor Finnland, das unter den am stärksten globalisierten Ländern den grössten Sprung nach vorne macht und drei Ränge gewinnt.
Schweiz mit grösstem Rückgang unter den hoch globalisierten Ländern
Den grössten Rückgang unter den hoch globalisierten Ländern verzeichnet die Schweiz. Sie verliert zwei Ränge und steht neu auf Platz 11. Die grösste Volkswirtschaft der Welt, die USA, gewinnt zwei Ränge und belegt neu Platz 32. Die relative Geschlossenheit der US-amerikanischen Wirtschaft gegenüber dem Ausland steht einer höheren Platzierung im Wege. China,die zweitgrösste Volkswirtschaft, steigt um drei Ränge auf Platz 72 ab.
Am unteren Ende des Globalisierungsindex gab es 2011 wenig Bewegung. Das am wenigsten globalisierte Land bleibt Somalia, hinter den Salomonen, Kiribati, Eritrea und Laos. Den grössten Abstieg im Index verzeichnete 2011 Libyen mit einem Verlust von 27 Plätzen auf Rang 137 (von 191Ländern). Grosse Rückgänge um rund 10 Ränge verzeichneten auch Algerien und Ägypten. Hier dürften sich die mit dem Arabischen Frühling einhergehenden Verwerfungen niederschlagen.Die grössten Aufsteiger im Gesamtindex waren 2011 Samoa (+34 Ränge), Sierra Leone (+27) und Papua Neuguinea (+24).
Ökonomische Globalisierung: Importbeschränkungen belasten Schweizer Ranking
Die Gründe für den Positionsverlust der Schweiz liegen im Bereich der ökonomischen Dimension der Globalisierung. Diese misst zum einen die Stärke grenzüberschreitender Handels-, Investitions- und Einkommensströme in Relation zum Bruttoinlandprodukt (BIP) und zum anderen den Einfluss von Handels- und Kapitalverkehrsbeschränkungen. In der erstgenannten Dimension findet sich die Schweiz als kleine offene Volkswirtschaft in den obersten 20 wieder. In der letztgenannten Dimension steht sie weniger gut da und hat sich im Jahr 2011 gegenüber dem Vorjahr markant verschlechtert. Insbesondere stieg der durchschnittliche Zollsatz gemäss WTO an; und Teilnehmer einer Umfrage des Global Competitiveness Reports berichteten von einer Zunahme von tarifären und nichttarifären Importbeschränkungen. Diese beiden Faktoren waren hauptverantwortlich für den Abstieg der Schweiz von Rang 26 (2010) auf Rang 37 (2011) im Teilindex der ökonomischen Globalisierung. Allerdings widerspiegelt der Index die relative Position eines Landes. Das bedeutet, dass ein Land z. B. im Teilindex der Handels- und Kapitalverkehrsbeschränkungen selbst dann absteigen kann, wenn es zwar Importbarrieren abbaut, das allerdings langsamer als andere Länder. Spitzenreiter im Teilindex der ökonomischen Globalisierung war 2011 Singapur, vor Irland und Luxemburg. Schlusslichter waren Nepal, Äthiopien und Burundi.
Soziale Globalisierung: Schweiz auf Rang 4
Die soziale Dimension der Globalisierung wird im KOF Globalisierungsindex anhand von drei Kategorien gemessen. Zum einen geht es um grenzüberschreitende persönliche Kontakte in Form von Telefonaten und Briefen. Der Rückgang solcher Kontakte im Jahr 2011 hat massgeblich zum Abstieg der nordafrikanischen Länder im Gesamtindex beigetragen. Auch Tourismusströme und die Grösse der ausländischen Wohnbevölkerung finden sich hier wieder. Zweitens werden grenzüberschreitende Informationsflüsse, gemessen am Zugang zu Internet, Fernsehen und ausländischen Presseerzeugnissen, erfasst. Und drittens wird versucht, die kulturelle Nähe zum globalen Mainstream anhand der Anzahl von McDonald’s- und Ikea-Filialen sowie der Exporte und Importe von Büchern in Relation zum BIP zu erfassen.
In der sozialen Dimension der Globalisierung stand die Schweiz 2011 auf Rang 4 hinter Singapur,Irland und Österreich. Am unteren Ende des Teilindex rangierten Myanmar, Äthiopien und die Demokratische Republik Kongo.
Politische Globalisierung: Frankreich an der Spitze
Die politische Dimension der Globalisierung wird gemessen an der Anzahl ausländischer Botschaften in einem Land, der Zahl internationaler Organisationen, denen das Land angehört,der Zahl der UN-Friedensmissionen, an denen das Land teilnahm und der Anzahl bilateraler und multilateraler Verträge, die das Land seit 1945 abgeschlossen hat. In diesem Teilindexstand 2011 Frankreich an der Spitze, gefolgt von Italien und Belgien. Am Schluss des Feldes rangierten kleine Inseln und Inselgruppen.
Während sich der Arabische Frühling im KOF Globalisierungsindex 2014 in einem Abstieg einiger nordafrikanischer Länder niederschlägt, ist dies für die beiden anderen Hauptereignisse des Jahres 2011 – die Atomkatastrophe von Fukushima und die Schulden- und Vertrauenskrise im Euroraum – nicht der Fall. Japan verliert vier Ränge im Teilindex der ökonomischen Globalisierung, was angesichts vermehrter Importe von Energieträgern überrascht. Grund hierfür ist eine Zunahme nichttarifärer Handelshemmnisse. Insgesamt ist Japan in ökonomischer Hinsicht nur schwach globalisiert (Rang 125 von 154 Ländern, für die Angaben für diesen Teilindex vorliegen).
Die Eurokrise hatte keinen Einfluss auf das Ausmass der Globalisierung. Mit Irland und Portugal stehen zwei der von der Eurokrise am stärksten betroffenen Länder unter den Top Ten im Gesamtindex. Zypern folgt auf Rang 13 und Griechenland auf Rang 23 (beide Länder verlieren einen Rang). Spanien rückt von Rang 16 (2010) auf Rang 14 (2011) vor. Wenn auch die Eurokrise keine direkten Spuren im KOF Globalisierungsindex hinterliess, so hat doch die Finanz- und Wirtschaftskrise zu einer Stagnation des Index seit 2008 geführt. (KOF/mc/ps)
Methodik
Der KOF Globalisierungsindex misst die wirtschaftliche, soziale und politische Dimension der Globalisierung. Er dient der Beobachtung von Veränderungen in der Globalisierung einer Reihe von Ländern über einen langen Zeitraum. Der vorliegende KOF Globalisierungsindex 2014 liegt für bis zu 207 Länder und den Zeitraum 1970 bis 2011 mit 23 Variablen vor. Der Index besteht aus einer ökonomischen, einer sozialen und einer politischen Komponente. Der KOF Globalisierungsindex misst die Globalisierung auf einer Skala von 1 bis 100. Die Werte der zugrunde liegenden Variablen werden in Perzentile unterteilt. So werden extreme Ausschläge geglättet und es kommt zu geringeren Fluktuationen im Zeitablauf. Die verwendeten Daten wurden für die letzten Jahre aktualisiert. Der neue Index ist daher nicht mit dem vor einem Jahr veröffentlichten KOF Globalisierungsindex vergleichbar. Die im Text angesprochenen Vergleiche mit früheren Jahren beruhen auf der neuen Berechnungsmethode.
Detaillierte Angaben zum KOF Globalisierungindex 2014 finden Sie unter:
- http://globalization.kof.ethz.ch/
- Dreher, Axel (2006), Does Globalization Affect Growth? Evidence from a new Index of Globalization, Applied Economics 38, 10: 1091 – 1110.
- Dreher, Axel, Noel Gaston und Pim Martens (2009),Measuring Globalisation – Gauging its Consequences, New York: Springer.