KOF Globalisierungsindex: Stagnierende Globalisierung

KOF Globalisierungsindex: Stagnierende Globalisierung

Zürich – Der aktuelle KOF Globalisierungsindex widerspiegelt die ökonomische, soziale und politische Globalisierung des Jahres 2012. Dieses Jahr war geprägt von den Nachwehen des Arabischen Frühlings: So kam in Ägypten die Muslimbruderschaft an die Macht und der Bürgerkrieg in Syrien intensivierte sich. Im Euroraum verschärfte sich die Schulden­- und Vertrauenskrise, bis die Europäische Zentralbank im Juli den Fortbestand des Euro unter Einsatz aller nötigen Mittel versicherte. Danach entspannte sich die Lage. In den USA schaffte Barack Obama seine Wie­derwahl zum Präsidenten. Der Globalisierungsindex zeigt, dass der Grad der Globalisierung im Jahr 2012 im Vergleich zum Vorjahr nur leicht gestiegen ist. Leicht gesunken ist der Grad der Globalisierung in den OECD­-Ländern. Dagegen stieg der Index für Süd­- und Ostasien sowie Afrika südlich der Sahara leicht an. In den übrigen Regionen stagnierte die Globalisierung 2012.

Im Jahr 2012 war gemäss dem KOF Globalisie­rungsindex Irland das am stärksten globali­sierte Land der Welt. Bereits im Vorjahr stand Irland an der Spitze des Rankings. Auf den nächsten Plätzen folgen die Niederlande und Belgien, welche im Vergleich zum Vorjahr die Plätze getauscht haben. Österreich steht auf Platz 4 und Singapur auf Platz 5. Schweden rückt um einen Platz nach vorne auf Platz 6  und verweist Dänemark damit auf Platz 7. Portugal bleibt an achter Stelle. Auf Platz 9 folgt die Schweiz, welche im Vergleich zum Vorjahr zwei Plätze gutmacht und wieder in den Top Ten der am meisten globalisierten Länder vertreten ist. Sie tauscht den Platz mit Ungarn. Finnland steht auf Platz 10.

Die grössten Fortschritte unter den stark globalisierten Ländern machten 2012 Tschechien – es gewann vier Plätze dank Zuwächsen beim Aussenhandel und bei Direktinvestitionen und steht neu auf Rang 13 – und Norwegen, welches dank des Abbaus von Handelshemmnissen drei Plätze auf Rang 18 vorrückte. Dagegen verlor Zypern drei Plätze und steht neu auf dem 16. Platz.Das Land hatte im Zuge der Finanzkrise Zölle erhöht und Kapitalverkehrskontrollen eingeführt.

Die grossen Volkswirtschaften der Welt sind aufgrund ihrer Marktgrösse stärker nach innen gewandt und deshalb tendenziell weiter hinten im Index der Globalisierung platziert. Die grösste Volkswirtschaft der Welt, die USA, belegt Platz 35 (–2 Ränge), China liegt auf Platz 75 (–3 Ränge), Japan belegt Platz 54 (+5 Ränge) und Deutschland belegt Platz 27 (–3 Ränge).

Am unteren Ende des Globalisierungsindex gab es 2012 wenig Bewegung. Die am wenigsten globalisierten Länder sind die Salomonen, Somalia, Kiribati, Laos und Eritrea (in aufsteigender Reihenfolge). Den grössten Abstieg im Index verzeichnete 2012 Kuba mit einem Verlust von28 Plätzen auf Rang 136. Das Land, für welches aufgrund der schlechten Datenlage kein Index der ökonomischen Globalisierung berechnet werden kann, fiel im Jahr 2012 im Index der sozia­len Globalisierung stark zurück. Grosse Rückgänge verzeichneten auch Albanien (– 13 Ränge), Saudi Arabien (– 11 Ränge) und Guinea­-Bissau (– 10 Ränge). Die grössten Aufsteiger im Gesamt­index waren 2012 Armenien (+ 16 Ränge), Liberia (+ 14 Ränge) und Thailand (+ 13 Ränge).

Ökonomische Globalisierung
Die ökonomische Dimension der Globalisierung beinhaltet zum einen die Stärke grenzüber­schreitender Handels­, Investitions­- und Einkommensströme in Relation zum Bruttoinlandpro­dukt (BIP) und zum anderen den Einfluss von Handels- ­und Kapitalverkehrsbeschränkungen.Seit der Finanzkrise von 2008 hat die ökonomische Globalisierung kaum mehr Fortschritte gemacht. Der Einbruch der internationalen Handels­- und Kapitalströme führte insbesondere2009 zu einem Rückgang der ökonomischen Globalisierung. Seither haben sich die Handels­- und Kapitalströme wieder erhöht und sind auch im Jahr 2012 weiter angestiegen. Bremsend auf die ökonomische Globalisierung wirken seither zunehmende Handels- ­und Kapitalverkehrs­beschränkungen. Im Jahr 2012 haben die Beschränkungen gemessen an allen vier im Index verwendeten Variablen zugenommen.
Spitzenreiter im Teilindex der ökonomischen Globalisierung war 2012, wie schon im Jahr zuvor, Singapur, vor Irland und Luxemburg. Schlusslichter waren (in absteigender Reihenfolge) Nepal,Äthiopien und Burundi.

Soziale Globalisierung
Die soziale Dimension der Globalisierung wird im KOF Globalisierungsindex anhand von drei Kategorien gemessen: Zum einen geht es um grenzüberschreitende persönliche Kontakte in Form von Telefonaten, Briefen und Tourismusströmen. Ebenfalls enthalten ist die Grösse der ausländischen Wohnbevölkerung. Zweitens werden grenzüberschreitende Informationsflüsse, gemessen am Zugang zu Internet, Fernsehen und ausländischen Presseerzeugnissen, erfasst.Und drittens wird versucht, die kulturelle Nähe zum globalen Mainstream anhand der Anzahl von McDonald’s­- und Ikea­-Filialen sowie der Exporte und Importe von Büchern in Relation zum BIP zu erfassen. 2012 stagnierte die soziale Globalisierung. In der sozialen Dimension der Globalisierung stand die Schweiz 2011 auf Rang 4 hinter Singapur,Irland und Österreich (in absteigender Reihenfolge). Am unteren Ende des Teilindex rangierten Myanmar, Äthiopien und die Demokratische Republik Kongo.

Politische Globalisierung
Die politische Dimension der Globalisierung wird gemessen an der Anzahl ausländischer Bot­schaften in einem Land, der Zahl internationaler Organisationen, denen das Land angehört, der Zahl der UN­-Friedensmissionen, an denen das Land teilnahm, und der Anzahl bilateraler und multilateraler Verträge, die das Land seit 1945 abgeschlossen hat. In diesem Teilindex stand2012 Italien vor Frankreich an der Spitze, gefolgt von Österreich. Am Schluss des Feldes rangier­ten kleine Inseln und Inselgruppen. Im Jahr 2012 ist der Grad der politischen Globalisierung nach zwei Jahren der Stagnation weiter angestiegen. Grund dafür waren insbesondere zuneh­mende Mitgliedschaften in internationalen Organisationen vieler Länder. (KOF/mc/ps)

Methodik
Der KOF Globalisierungsindex misst die wirtschaftliche, soziale und politische Dimension der Globalisierung.Er dient der Beobachtung von Veränderungen in der Globalisierung einer Reihe von Ländern über einen langen Zeitraum. Der vorliegende KOF Globalisierungsindex liegt für187 Länder und den Zeitraum 1970 bis 2012 mit 23 Variablen vor. Der Index besteht aus einer ökonomischen, einer sozialen und einer politischen Komponente. Der KOF Index misst die Globalisierung auf einer Skala von 1 bis 100.Die Werte der zugrunde liegenden Variablen wer­den in Perzentile unterteilt. So werden extreme Ausschläge geglättet und es kommt zu geringeren Fluktuationen im Zeitablauf. Die verwendeten Daten wurden anhand der ursprünglichen Quellen für die letzten Jahre aktualisiert.Die neuen Daten sind nicht mit dem vor einem Jahr veröffentlichten KOF Index vergleichbar, weil die Datenbank auch für alle frü­heren Jahre aktualisiert und neu berechnet wurde. Die im Text angesprochenen Vergleiche mit früheren Jahren beruhen demnach auf der neuen Datenlage.
Detaillierte Angaben zum KOF Globalisierungsindex finden Sie unter: http://globalization.kof.ethz.ch/

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