Zürich – Wenn Ökonomen unser Wohlbefinden messen und analysieren, konzentrieren sie sich auf das, was am einfachsten und «objektivsten» zu messen ist. Aber die von den politischen Entscheidungsträgern am häufigsten verwendete Messgrösse – das Bruttoinlandsprodukt (BIP) – hat als Mass für das menschliche Wohlbefinden signifikante Grenzen. So ist der gesellschaftliche Wert nicht-marktwirtschaftlicher Tätigkeiten, wie beispielsweise unbezahlte Hausarbeit oder Freiwilligenarbeit, im BIP nicht enthalten.
Und es enthält keine Informationen zur gesellschaftlichen Verteilung. Das BIP als Mass einzusetzen, heisst, dass Wohlbefinden mit dem finanziellen Einkommen gleichgesetzt und nicht als etwas Breiteres betrachtet wird, das gesundheitliche, erzieherische und soziale Werte berücksichtigt.
Die skandinavischen Länder belegen vier der Top-10-Plätze
Um dieses Ungleichgewicht zu beheben, haben eine Reihe von Ländern und internationalen Agenturen Umfragedaten gesammelt und analysiert, die sich auf die Beurteilung der eigenen Lebensqualität oder des «Glücks» sowie auf Faktoren beziehen, die das subjektive Wohlbefinden beeinflussen. Zusammengefasst im jährlichen World Happiness Report (WHR) zeigten sich grosse Unterschiede in der durchschnittlichen Lebensqualität einzelner Länder. Die skandinavischen Länder belegen vier der Top-10-Plätze. Finnland liegt an der Spitze. Der Rest der Top 10 belegen kleine, offene, reiche Ländern wie Australien oder Kanada und auf Platz 5 ist die Schweiz. Am Schluss der Rangliste befinden sich arme afrikanische Länder, vor allem solche, die von Bürgerkriegen heimgesucht wurden.
Obwohl es eine positive Korrelation zwischen Pro-Kopf-Einkommen und «Glück» gibt, machen ökonomische Werte nur einen Teil des Wohlbefindens aus (siehe Grafik). Die dem WHR zugrundeliegende Forschung zeigt, dass Faktoren wie eine gesunde, hohe Lebenserwartung, die Entscheidungsfreiheit der Menschen, was sie mit ihrem Leben machen, sowie Massnahmen, die zum Sozialkapitals beitragen, wie Sozialversicherungen, Grosszügigkeit und das Empfinden von Korruption eng, mit dem Grad des Glücklichseins verbunden sind. Sobald eine Gesellschaft ein gewisses Durchschnittseinkommen erreicht, werden die Auswirkungen eines zusätzlichen Einkommensanstiegs geringer und umso stärker spielen breitere Indikatoren für das persönliche und soziale Wohlergehen eine Rolle. Das soll nicht heissen, dass Regierungen und politische Entscheidungsträger bei der Festlegung von Zielen und dem Vergleich der Wirkung ihrer Politik traditionelle Massstäbe für den Lebensstandard ignorieren sollten. Aber es impliziert die Notwendigkeit, umfassenderer Erfolgsmessungen vorzunehmen, insbesondere wenn soziale Faktoren die politischen Ergebnisse stärker beeinflussen. (Aberdeen/mc/hfu)
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