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London – Eine Woche vor der Parlamentswahl in Grossbritannien bleibt es spannend: Die regierenden Konservativen und die oppositionelle Labour-Partei liegen in Umfragen weiter gleichauf, eine Regierungsbildung dürfte nur mit Hilfe einer kleineren Partei möglich sein.
Ob die in der jetzigen Koalition eher glücklose Liberaldemokratische Partei weiter mit den Tories regieren wird oder eine von Medien bereits als «Frankenstein»-Koalition geschmähte Labour-Minderheitsregierung mit Unterstützung der schottischen Nationalisten kommen wird – das steht vor dem Urnengang am 7. Mai noch in den Sternen.
Konservative knapp vor Labour
Nach der jüngsten BBC-Umfrage liegen die Konservativen von Ministerpräsident David Cameron bei 34 Prozent, die Labour-Partei von Ed Miliband bei 33 Prozent. Damit hätte keine der beiden Parteien die notwendige absolute Mehrheit von 326 Sitzen im britischen Unterhaus. Für die Rolle des Königsmachers kommen im Wesentlichen drei kleinere Parteien in Frage: die Liberaldemokraten von Vizepremier Nick Clegg, die rechtspopulistische und europakritische Ukip von Nigel Farage und die Schottische Nationalpartei (SNP).
Regierungsbeteiligung als Hypothek
Die Zeiten, in denen sich Labour und Konservative allein an der Spitze des Landes abwechselten, sind ohnehin vorbei. Bereits bei der Wahl 2010 kam es zum ersten Mal seit 1945 zu einer Koalitionsbildung im Vereinigten Königreich. Doch den Liberaldemokraten brachte die Regierungsbeteiligung als Juniorpartner – ähnlich wie der deutschen FDP – kein Glück. Bei der letzten TV-Debatte am Donnerstagabend in Leeds bot Clegg sich gleich beiden grossen Parteien als Koalitionspartner an.
Wachsende Ungleichheit
Dabei geisselt Labour-Chef Miliband die Politik der konservativ-liberaldemokratischen Regierung der vergangenen fünf Jahre immer wieder als reine «Klientelpolitik» für Reiche und Mächtige. Die Ungleichheiten im Land hätten enorm zugenommen, die Einkünfte der Mittelklasse seien drastisch gesunken, hebt der 45-Jährige hervor. Laut dem Direktor des Umfrageinstituts Ipsos Mori, Gideon Skinner, klagen 80 Prozent der Briten über gestiegene Lebenshaltungskosten. Dominiert wird der Wahlkampf von einer Debatte über Wirtschaftsdaten, die Krise des Gesundheitssystems, Einwanderung – und den Umgang mit Europa.
Cameron hält an EU-Referendum fest
Den Europaskeptikern in seiner Partei hat Cameron für den Fall seiner Wiederwahl ein Referendum über den Verbleib in der ungeliebten EU bis 2017 versprochen. Dies sei auch in einer Koalition nicht verhandelbar, betonte er am Donnerstagabend.
Obwohl er in einer Blitzumfrage als Sieger der Debatte gesehen wurde, hat die Beliebtheit des 48-Jährigen in den vergangenen Jahren stark gelitten. Ihm haftet das Image des abgehobenen Snobs an, das er kürzlich durch den Verzehr eines Hotdogs mit Messer und Gabel noch unterstrich.
Referendum statt Stabilität
Eine vehemente Gegnerin hat Cameron in der SNP-Chefin Nicola Sturgeon. «Wir haben die Chance, David Cameron aus Downing Street zu werfen», sagte sie jüngst bei einer TV-Debatte der kleineren Parteien. Die schottische Regierungschefin bot Miliband bereits die Zusammenarbeit an.
Der Labour-Chef unterstrich jedoch am Donnerstagabend, dass es mit ihm weder eine Koalition noch eine Duldung durch die SNP geben werde. Er wirft der Partei, die Labour in Schottland den Grossteil ihrer Sitze abnehmen wird, vor, ein weiteres Referendum über eine Unabhängigkeit anzustreben und damit die Einheit des Vereinigten Königreiches aufzubrechen.
Beim ersten Referendum im September waren die Unabhängigkeitsbefürworter knapp gescheitert. Auch Tony Travers von der London School of Economics warnt: Ziel der SNP sei mitnichten eine stabile Regierung, sondern vielmehr ein weiteres Referendum. (awp/mc/pg)