Kriegsgegner Nadeschdin bei Putins Präsidentenwahl nicht zugelassen
Moskau – In Russland wird der liberale Oppositionelle und Kriegsgegner Boris Nadeschdin nicht als Kandidat zur Präsidentenwahl im März zugelassen. Die Wahlkommission unter Leiterin Ella Pamfilowa begründete die erwartete Ablehnung am Donnerstag in Moskau mit einer Vielzahl an fehlerhaften Unterstützerunterschriften. Damit treten neben Kremlchef Wladimir Putin, der zum fünften Mal Präsident werden will, drei weitere Kandidaten an. Sie gelten als aussichtslose Bewerber, die Putin entweder direkt unterstützen oder kein eigenes politisches Profil haben.
Der 60 Jahre alte Nadeschdin galt als Hoffnung der Opposition auf eine Alternative zu Putin. «Sie lehnen nicht mich ab, sondern Dutzende Millionen Menschen, die auf Veränderungen hoffen», sagte Nadeschdin nach der Entscheidung. Der Politiker will den Entschluss der Wahlkommission vor dem Obersten Gericht anfechten. «Ich bin nicht einverstanden mit der Entscheidung der Wahlleitung.» Die Unterschriften für ihn seien offen und ehrlich gesammelt worden. «Von meinen Absichten lasse ich nicht ab.» Er rechne mit Stimmen im zweistelligen Prozentbereich bei der Wahl, sagte Nadeschdin.
Unterstützer hatten für Nadeschdin, der für die Partei Bürgerinitiative antreten wollte, im Januar in Schlangen bei winterlichem Wetter angestanden, um ihre Unterschriften für ihn als Kandidat bei der Wahl vom 15. bis 17. März abzugeben. Die Menschen hätten damit der ganzen Welt gezeigt, dass sie ein friedliches und freies Russland wollten. «Ich habe meine Landsleute nie so inspiriert, freudig und frei erlebt wie in unseren Warteschlangen», sagte Nadeschdin.
Es gilt als sicher, dass der vom Kreml kontrollierte Oberste Gerichtshof die Entscheidung der Wahlkommission bestätigen wird. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte zum Entschluss der Wahlleitung, dass diese den Regeln entsprechend gefallen sei.
Bei der Sammlung für Nadeschdin kamen deutlich mehr als die geforderten 100’000 Unterschriften zusammen. Aus einer Stichprobe von 60’000 Unterschriften wurden laut Wahlkommission nun 9147 für ungültig erklärt. Enthalten waren auch elf Namen von Verstorbenen, hiess es. Das waren rund 15 Prozent ungültige Unterschriften bei einem zulässigen Maximalwert von 5 Prozent.
Nadeschdin war der einzige Bewerber, der offen gegen Putins Angriffskrieg in der Ukraine auftritt. Für diese Anti-Kriegs-Haltung erntete der Oppositionspolitiker zum Ärger des Kreml von vielen Landsleuten grossen Zuspruch. Politische Beobachter hatten die Kandidatur Nadeschdins deshalb praktisch ausgeschlossen. Der russische Politologe Andrej Perzew sagte, dass der Politiker von vornherein keine Chance gehabt habe auf eine Zulassung als Kandidat. Der Kreml wolle für Putin eine möglichst ruhige Wahl organisieren – ohne Störungen.
Schon die vielen Unterschriften für Nadeschdin seien für den Kreml eine «unangenehme Überraschung» gewesen, schrieb Perzew in einer Analyse für das unabhängige russische Portal «Meduza». Der Kreml habe auch nicht zulassen wollen, dass der Oppositionelle auf dem zweiten Platz nach Putin lande und damit besser dastehe als die Bewerber der im Parlament vertretenen Parteien.
Auf dem Wahlzettel werden ausser Putin noch der Kommunist Nikolai Charitonow; der Chef der ultranationalistischen Partei LDPR, Leonid Sluzki, und Wladislaw Dawankow, ein Vertreter der Duma-Partei Neue Leute, stehen. Mit Ausnahme Sluzkis hatten die Chefs der insgesamt fünf Parlamentsparteien auf eine Teilnahme an der Wahl verzichtet. Die Regierungspartei Geeintes Russland und die kremlnahe Partei Gerechtes Russland unterstützen Putin direkt.
Die Opposition um den inhaftierten Kremlgegner Alexej Nawalny, die Nadeschdin unterstützt hatte, rief zur Protestwahl gegen Putin auf. «Im März wird ein Zirkus geplant, der nichts mit einer Wahl gemein hat», sagte Nawalnys Vertrauter Leonid Wolkow im Exil im Baltikum. Ziel des Kreml sei es, Putin mit einem hohen Ergebnis einen «Festtag» zu bescheren. Der Kreml habe es einmal mehr geschafft, die Menschen zu enttäuschen und ein Gefühl der Machtlosigkeit zu erzeugen.
Wolkow und auch der im Exil lebende Kremlgegner Michail Chodorkowski riefen die Menschen auf, um 12.00 Uhr am 17. März zu den Wahllokalen zu gehen und damit zu zeigen, dass sie gegen Putin seien. Chodorkowski meinte, dass sie als Zeichen ihrer Ablehnung von Putins Krieg gegen die Ukraine in blau-weisser Kleidung erscheinen sollten.
Amtsinhaber Putin hatte 2020 extra die russische Verfassung ändern lassen, um erneut als Kandidat antreten zu können. Seine Wiederwahl gilt als sicher. Nach sechs Jahren im Amt darf er laut aktuell gültiger Verfassung 2030 ein letztes Mal kandidieren. (awp/mc/ps)